© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

Verliebt in eine Echse
Gefühle im Wandel der Zeit: Lebenspartnerschaften zwischen Mensch und Tier sind schwer im Kommen
Werner Olles

In seinem Buch "Neosexualitäten" (Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005) beschreibt der Frankfurter Sexualforscher Volkmar Sigusch neue Trends vor dem Hintergrund des "kulturellen Wandels von Liebe und Perversionen". Was der Mediziner, Psychiater, Psychotherapeut, Sozialwissenschaftler und langjährige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung als "Bereicherung" ansieht, äußert sich unter anderem in Liebesgefühlen für tote Gegenstände, schrillen Selbstinszenierungen bei öffentlichen Liebesparaden inklusive der öffentlichen Darstellung früher verpönter oder peinlich schambesetzter Empfindungen, zärtlicher Fürsorge für Haustiere oder totaler Abwehr jeglicher Sexualität.

Während Sigusch letztere eher als eine "Reaktion auf das tägliche Bombardement der Sexualisierung" begreift, sei die sogenannte "Objektophilie", bei der sich "äußerlich völlig normale Menschen" mit sämtlichen bekannten Hochgefühlen der Erregung oder auch der Depression in einen Turm, ein Schiff oder einen Wolkenkratzer verlieben, eine Folge der technologischen Entwicklung, die es beispielsweise ermöglicht habe, die Fortpflanzung aus dem menschlichen Körper zu lösen und damit die Naturgesetze zu überschreiten.

Neben den Asexuellen und den Exhibitionisten seien jetzt aber auch die "Kultursodomiten" auf dem Vormarsch. Darunter versteht Sigusch Zeitgenossen, die ihr Haustier - neben den altbewährten Hunden und Katzen zunehmend auch exotische Arten wie Echsen, Affen etc. - wie einen über alles geliebten Menschen behandeln, es herzen, küssen, verwöhnen und umsorgen. Manche Leute liebten ihr Tier heißer und inniger, als sie je einen Menschen geliebt hätten, beschreibt er diesen (nicht ganz so) neuen Trend. Für sehr wahrscheinlich hält Sigusch, daß Mensch-Tier-Lebenspartnerschaften in zwei bis drei Generationen auch öffentlich anerkannt würden.

Aus diesem Anlaß möchten wir, meine Frau und ich, daher heute schon prophylaktisch allen potentiell Interessierten mitteilen: Unser schwarzer Kater "Aldi" und unser rotblondes Kätzchen "Tiger" sind bereits vergeben. Keine Chance!

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