© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/05 10. Juni 2005

Weblogs - Die unterschätzte Macht im Internet
Internet: Die für jeden zugänglichen Foren sind ein Beitrag zur Demokratisierung der Medien / Die politische Rechte macht nur keinen Gebrauch davon
Frank Liebermann

Letzten Herbst hatten Blogger ihre Sternstunde. Zum ersten Mal nahm eine breite Öffentlichkeit in den USA diese neue Form der Meinungsäußerung war. Blogger brachten den Fernsehmoderator Dan Rather - so etwas wie der amerikanische Ulrich Wickert - zur Strecke.

Der CBS-Mitarbeiter unterstellte George Bush, er habe sich vor dem Vietnamkrieg durch Papas Beziehungen gedrückt. Als Beweis präsentierte er eine Aktennotiz des Militärs, die er auch auf der Internetseite seines Senders publizieren ließ. Innerhalb weniger Stunden flog alles auf. Blogger wiesen nach, daß die Schriftart nicht von einer Schreibmaschine des Militärs stammte und die verwendete Wortwahl nicht dem militärtypischen Jargon entsprach.

In Frankreich gegen die EU-Verfassung mobilgemacht

Weblog, kurz Blog, ist ein Kunstbegriff, der Tagebücher (logs) im Internet (web) bezeichnet. Ihre Inhalte sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Themen sind Liebeskummer, Rezepte, Fernsehkritiken, Reiseberichte und alles möglich andere. Blogger sind die Personen, die ein Online-Tagebuch führen, einen Eintrag schreiben heißt bloggen.

Blogger zu werden ist einfach. Ein Computer mit Internetzugang reicht aus, um in kürzester Zeit selbst ein Weblog zu erstellen. Die Angebote sind meist gratis und finanzieren sich durch Werbung. Damit unterscheidet sich das Weblog deutlich von anderen Angeboten im Internet. Braucht es für den Aufbau einer Homepage noch ein gehöriges Maß an Wissen, ist das Einrichten des Weblogs ein Kinderspiel, da die Software ausschließlich auf den Servern der Anbieter läuft.

In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen verfassen die Blogger Texte, die sie online publizieren. Die Blog-Software sorgt dafür, daß die Artikel chronologisch geordnet erscheinen. Interessant macht das Bloggen eine zusätzliche Funktion: Andere Nutzer können die Einträge kommentieren. Links und Bilder lassen sich einfügen, so daß hier ein lebendiges Forum entsteht.

Blogs gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. Als Blogger während des letzten Golfkriegs direkt aus dem Irak ihre persönlichen Erlebnisse schilderten, vermuteten schon viele Beobachter, daß die Propaganda von Saddam Hussein auch hier aktiv war. Auch beim letztjährigen US-Präsidentschaftsrennen nutzten sowohl George W. Bush wie John Kerry die Dienste von Bloggern, um für ihren Wahlkampf Stimmung zu machen. In China und im Iran wurden schon Blogger verhaftet, weil sie regimekritische Berichte verfaßten. Und auch in Frankreich wurden die Blogger unterschätzt. Dort machten die Europagegner gezielt Stimmung gegen die neue Verfassung. Die deutschsprachige Szene ist noch eher klein. Aber auch hier gibt es schätzungsweise an die 50.000 Weblogs, deren Anzahl täglich steigt.

Auch für die Wirtschaft bekommen Weblogs eine wachsende Bedeutung. Firmen haben Angst, daß Mitarbeiter im Internet Geheimnisse veröffentlichen. Noch schlimmer: Mitarbeiter lästern über ihren Chef oder erzählen, was im Unternehmen tatsächlich läuft. Das hat schon zahlreichen Bloggern eine Kündigung eingebracht. Professionelle Dienste bieten an, die wichtigsten Blogs auf Firmennachrichten auszuwerten. Findet sich dort Kritik an einem Unternehmen oder dessen Produkte, ist ein sofortiges Gegensteuern möglich.

Zugangskosten sind geringer und es ist demokratischer

Das Internet gewinnt an Macht. In einem Punkt unterscheidet es sich wesentlich von den traditionellen Medien wie Fernsehen, Radio und Presse: Die Zugangskosten sind geringer und es ist demokratischer. Chefredakteure, Bundesprüfstellen, Rundfunkräte und andere Zensoren haben keine Möglichkeit, Meinungsäußerungen zu unterdrücken.

Hier zeigt sich ein Versäumnis bei den konservativen Kräften in Deutschland. Während die Linken in Deutschland die neuen Medien stark nutzen, um Meinung zu machen, haben die Konservativen bisher nur wenig auf die Beine gestellt. Diskussionsforen, Web-logs, Newsdienste scheinen bei der politischen Rechten eher von untergeordneter Bedeutung zu sein. Gerade angesichts des Gejammers über das linke Meinungsmonopol und der Unterdrückung durch etablierte Medien ist das wenig verständlich, da sich hier die Möglichkeit eröffnet, nonkonforme Meinungen zu äußern.

 

Stichwort: Weblogs

Die Anzahl der Netzseiten für Weblogger ist in den vergangenen Monaten stark angewachsen. Für fast alle Lebensbereiche und Interessengebiete kann man bereits auf Weblogs zurückgreifen. Wer selbst bloggen möchte oder einfach mal schauen will, findet hier eine kleine Auswahl von Internetadressen:

www.blogall.de 

www.blogworld.de 

www.blogg.de 

www.blogger.de 

www.blog.ch 


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