© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/05 10. Juni 2005

Mit dem Platzwart gegen Rechts
SPD: Handlungsstrategien für sozialdemokratische Funktionäre und Mandatsträger / Mietverträge als Mittel des politischen Kampfes
Marcus Schmidt

Geht es nach den Mitgliedern der SPD-Projektgruppe Rechtsextremismus und ihrem Vorsitzenden Niels Annen, dann müssen sich Sportler zukünftig zweimal überlegen, was sie auf dem Sportplatz sagen. Denn wer beispielsweise "rechtsextremistisches, rassistisches, antisemitisches oder anderweitig diskriminierendes Gedankengut darstellt oder verbreitet", könnte demnächst Ärger mit dem Platzwart bekommen.

Die SPD-Projektgruppe rät ihren Genossen in den Kommunalparlamenten, deutschlandweit die Nutzungsordnungen öffentlicher Sportanlagen, "die für den fairen sportlichen Wettkampf errichtet wurden", entsprechend zu ändern. Die Platzwarte der Anlagen sollen zudem eigens geschult werden, "um ihre Durchsetzungsfähigkeit bei Verstößen gegen die Ordnung zu erhöhen". Als leuchtendes Beispiel wird der Fußballbundesligist Schalke 04 aufgeführt, der pauschal alle Vereinsmitglieder, die der NPD oder den Republikanern angehören, mit dem Ausschluß bedroht.

Dieser Vorschlag findet sich neben anderen Beispielen, mit denen der "Kampf gegen Rechts" in die Mitte der Gesellschaft getragen werden soll, in der SPD-Broschüre "Wirksam Handeln gegen Rechts". Das von dem ehemaligen Vorsitzenden der Jungsozialisten Annen verantwortete Heft will "über die neue Qualität und die unterschiedlichen Strategien des Rechtsextremismus" informieren. Es dient als ideologische Unterfütterung der Anfang des Jahres von Annen und dem Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy im Bundesvorstand der SPD durchgesetzten 24 "Prinzipien und Orientierungspunkte für den Umgang mit dem Rechtsextremismus" (JF 15/05), mit denen sozialdemokratische Funktions- und Mandatsträger im Kampf gegen Rechts auf Linie gebracht werden sollen.

Die Stoßrichtung der Broschüre ist klar: Es geht in erster Linie um die Diffamierung des politischen Gegners. Daher ist es auch kein Zufall, daß in der SPD-Broschüre auf eine Unterscheidung zwischen "rechts", "rechtsradikal" und "rechtsextrem" verzichtet wird. Zwar findet sich im hinteren Teil des Heftes ein Verweis auf die in der Politikwissenschaft gängige Unterscheidung zwischen verfassungskonformen und verfassungswidrigen Auffassungen, also zwischen rechts und rechtsextrem oder zwischen links und linksextrem. Allerdings scheinen die Autoren nicht viel davon zu halten.

"Mit einem Ruck aus der Gesellschaft reißen"

Warum, liegt auf der Hand: Würden sie ernsthaft zwischen rechts oder konservativ und rechtsextrem unterscheiden, könnten sie die Union nicht mehr dem Verdacht aussetzen, mit rechtsextremem Gedankengut kontaminiert zu sein. Doch genau das ist das Ziel. Aus rechts wird daher sehr schnell rechtsextrem.

So heißt es etwa in dem Heft: "Rechtes Denken, Rechte auf den Straßen und Rechte in den Parlamenten kann man nicht mit einem Ruck aus der Gesellschaft reißen" Offen bleibt, was mit den "Rechten" passieren soll, wenn sie wie von der SPD gefordert "aus der Gesellschaft" gerissen worden sind. Im nächsten Abschnitt sind die "Rechten" schon zu "neonazistischen Gesinnungstätern" geworden: "Nichts darf im gesellschaftlichen Engagement gegen die neonazistischen Gesinnungstäter ausgeschlossen werden."

Auch wenn "nichts" ausgeschlossen werden dürfe - die Verfasser propagieren nicht den Straßenkampf. Sie gehen subtiler vor. Im Kapitel "Gesellschaft" wird für Muster-Mietverträge geworben mit denen in "städtischen und privatwirtschaftlichen Räumlichkeiten" Veranstaltungen von Rechtsextremisten verhindert werden sollen. Natürlich fehlt nicht der Hinweis, daß ein entsprechender Vertrag bereits ausgearbeitet worden ist und angefordert werden kann. Die Broschüre rät der SPD-Basis, entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Da solche Beschlüsse nur für kommunale Einrichtungen verbindlich sind, haben die Verfasser natürlich auch gleich einen Ratschlag parat, wie der Gastwirt um die Ecke "überzeugt" werden kann. "Eine von Politik und Publizistik unterstützte Kampagne 'Bei uns ist kein Platz für Neonazis' kann Eigentümer und Pächter von Veranstaltungsräumen für das Thema sensibilisieren und aktivieren."

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich die Folgen einer derartigen Praxis auszumalen. Jede Partei oder Gruppierung, die auch nur in den Verdacht gerät (oder gegen die der Verdacht erhoben wird), rechts zu stehen, hätte es in Zukunft schwer, einen Veranstaltungsraum anzumieten. Dabei muß man nicht einmal an Parteien denken: Studentenverbindungen oder Vertriebenenverbände könnten von einer solchen "Sensibilisierung" ebenfalls betroffen sein. Daß derlei Überlegungen nicht alleine von linksradikalen Köpfen wie Annen stammen, hat jüngst ein entsprechender Antrag der oppositionellen SPD-Fraktion im Landtag von Thüringen gezeigt (JF 17/05).

Wer die praktischen Handlungsempfehlungen des SPD-Heftes gelesen hat, mag kaum glauben, daß dieselbe Partei sich für ein Antidiskriminierungsgesetz einsetzt, mit dem auch Diskriminierung aus politischen Gründen bekämpfen werden soll. Zu denken geben müßte den Genossen, daß sogar die linke tageszeitung nach der Vorstellung der Broschüre durch Wolfgang Thierse (SPD) titelte: "Die Antifa kommt in der Mitte der SPD an".


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