© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

Blick in die Medien
Am Badesee
Ronald Gläser

Neulich in einer abendlichen TV-Quasselrunde: Walter Scheel erklärt Björn Engholm und den anderen Anwesenden, wie es war, als Brandt Kanzler wurde. Der Spiegel hatte zwei oder gar drei alternative Aufmacher verfaßt. Mit Hinblick auf den Abend der Bundestagswahl sollte der Ausgang abgewartet und dann die "passende" Variante gedruckt werden. Eine Anekdote aus der guten alten Bundesrepublik, mehr nicht. Aber auch in der digitalen Informationsgesellschaft ticken die Uhren manchmal noch wie vor 35 Jahren. Bei der Stuttgarter Zeitung zum Beispiel. Die war genau auf den Wahlabend in NRW vorbereitet. In einer Reportage auf Seite 3 wird das "entsetzliche Warten auf die Schließung der Wahllokale" erwähnt. Kanzler Schrö-der habe seine Zeit mit Warten verbracht, will man erfahren haben. Dies trifft aber wohl eher auf die StZ-Redaktion zu. Punkt 18.01 wurde dann die "Rot/Grün hat verloren"-Ausgabe in Druck gegeben - und ab an den Badesee. So lautet der Begleitkommentar: "Rot/Grün ist also nicht am Ende, und Neuwahlen kann die Opposition ... nicht durchsetzen." Das gab sicher ein böses Erwachen am Montag.


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