© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

Frisch gepresst

Scholl-Latour. Noch vor dem amerikanischen Angriff auf den Irak im März 2003 prognostizierte Peter Scholl-Latour den USA als Besatzungsmacht einen langen "asymmetrischen" Konflikt im Zweistromland. Nachdem der militärische Sieg über die irakische Armee verhältnismäßig schnell erreicht wurde ("mission accomplished"), mußte sich der Altmeister der politischen Publizistik für diese Vorhersage höhnische Kommentare gefallen lassen. Nur zwei Jahre später wissen wir, daß seine Prognose weitgehend der Realität entspricht - der Irak versinkt im Chaos, obwohl die Supermacht "auf tönernen Füßen" sich mit der militärischen Kontrolle ungeheure fiskalische Anstrengungen aufgebürdet hat. So müssen sich die Amerikaner im Kampf gegen einen weiteren Vertreter der "Achse des Bösen" - Nordkorea - bislang auf verbale Angriffe beschränken. Dieses unter eisernem Regime des "Lieben Führers" Kim Jong Il regierte Land darf Scholl-Latour - begünstigt durch seinen Ruf als unabhängiger Analyst - als einer von wenigen westlichen Journalisten bereisen. Die Porträts des Irak, Nordkoreas und nicht zuletzt Vietnams, wo Scholl-Latour dem "Sieger des Krieges gegen die USA" - General Vo Nguyen Giap - persönlich begegnet, weisen in gewohnt hintergründiger Manier auf die Gefahr hin, daß sich die letzte Supermacht im globalen Machtkampf überdehnt (Koloß auf tönernen Füßen. Amerikas Spagat zwischen Nordkorea und Irak. Propyläen Verlag, Berlin 2005, 351 Seiten, gebunden, 24 Euro).

Prominente KZ-Häftlinge. Mit einem etwas reißerischen Titel beschreibt der Historiker Hans-Günter Richardi eine eher unbekannte Begebenheit am Ende des Krieges, die ein bezeichnendes Licht auf verbrecherische Züge der SS-Führung wirft. So wurden auf Veranlassung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, 139 prominente Häftlinge aus deutschen Konzentrationslagern in die Abgelegenheit der Alpen verschleppt, unter ihnen der frühere Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht, der Industrielle Fritz Thyssen und viele Sippenhäftlinge des 20. Juli. Besonders von den internationalen Geiseln - darunter der frühere französische Ministerpräsident Léon Blum - versprach man sich eine Verhandlungsgrundlage mit den Alliierten (SS-Geiseln in der Alpenfestung. Die Verschleppung prominenter KZ-Häftlinge von Deutschland nach Südtirol. Edition Raetia, Bozen 2005, 320 Seiten, gebunden, Abbildungen, 29,50 Euro).


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