© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

UMWELT
Sellafield kann überall sein
Alexander Barti

Mit einer Kanzlerin Angela Merkel rückt die Renaissance des Atomstroms in Deutschland wieder in die Kategorie des Möglichen. Über Jahrzehnte - nicht erst seit Rot-Grün - schien es unmöglich, über Atomkraftwerke als nützliche Energiespender nachzudenken. Angekündigte Neubauten entwickelten sich zu politischen Super-GAUs. Besonders nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 war es breiter Konsens, daß man diese Technologie so schnell wie möglich ersetzen müsse. Das ist inzwischen anders. Die "Umwelt" ist zu einem Luxus der Besserverdienenden geworden, mit dem drohenden Absturz der "engagierten" Mittelschicht verliert auch die Anti-Atom-Bewegung ihren Rückhalt. Hinzu kommt, daß die Umweltdebatte vor allem von den CO2-Emissionen, fossilen Brennstoffen und dem sogenannten Treibhauseffekt beherrscht wird.

Da erscheint Atomstrom wieder als billiger Energiespender mit Null-Emissionen. Doch das Restrisiko bleibt: Eine Atomkatastrophe wäre heute noch genauso verheerend wie vor 20 Jahren. Daß man inzwischen technologisch weiter ist, beruhigt nur unbedarfte Menschen. Wie gefährlich ein AKW auch heute noch ist, zeigt der jüngste "Zwischenfall" in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield. Man spricht von dem schwersten Atomunfall in Großbritannien seit über zehn Jahren. Durch eine defekte Leitung sind über mehrere Monate hinweg unbemerkt 83.000 Liter hochradioaktiver Flüssigkeit ausgetreten. Immer wieder gibt es Störfälle, und je länger der Mensch diese Technologie nutzt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit für einen GAU. Europa sollte daher weiterhin nach Alternativen suchen, anstatt die Uhr zurückdrehen zu wollen.


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