© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/05 27. Mai 2005

UMWELT
Der Irrsinn beginnt
Alexander Barti

Die Alpengletscher schmelzen dramatisch. Als Ursache wird überwiegend der sogenannte Klimawandel ausgemacht - die Erwärmung der Erde, die der Menschen durch Verbrennung fossiler Energieträger verursacht. Ob diese Kausalkette so einfach ist, sei einmal dahingestellt. Nicht wegdiskutieren kann man, daß die Gletscher tatsächlich schmelzen und damit die Wintersportindustrie gefährdet ist. Ganz kampflos will sich die Schweizer Andermatt-Gotthard-Sportbahnen AG nicht ergeben. Sie möchte in diesem Sommer ihr Kapital - den Gurschengletscher - mit einer 3.000 Quadratmeter großen Plane schützen. In den letzten 15 Jahren ist der Gletscher so geschmolzen, daß die Bergstation 20 Meter an Höhe verloren hat.

Nur mit enormem Arbeitseinsatz und Maschinenaufwand schaffte es der Pistendienst bisher, eine Abfahrt zu Saisonbeginn herzurichten. Eine künstliche Beschneiung ist zu allem Übel nicht möglich. Die weiße Plane, die beim Straßenbau entwickelt und für den Schnee-Einsatz weiter modifiziert wurde, kostet 20.000 Euro und soll jeweils im Winter eingemottet werden. Umweltschützer kritisieren die ganze Aktion und meinen, man solle nicht "Pflasterl" auf die Berge kleben, sondern "was G'scheits" gegen den Klimawandel unternehmen. Prinzipiell muß man ihnen recht geben, aber die Andermatter kann man auch verstehen. Sie kämpfen um ihre Existenzgrundlage, und wenn sie von einer Folie erhalten wird, wären sie schön blöd, die Chance nicht zu nutzen. Davon abgesehen hat die Aktion auch etwas Irrsinniges an sich: Einmal mehr glaubt der Mensch einer gewaltigen, überaus komplexen Veränderung Einhalt gebieten zu können. Doch am Ende wird er nicht der stärkere sein.


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