© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/05 20. Mai 2005

Treue gehalten
Nachruf auf den am 1. Mai verstorbenen Werner Pfeiffer
Siegmar Faust

Abgeholt" hieß Werner Pfeiffers letzter Buchtitel, der die "Chronik einer geraubten Jugend", so der Untertitel, akribisch nachzeichnet. Seine frühe Jugend hatte er in seinem ebenfalls autobiographischen Tatsachenbericht "Mit 15 in die Hölle" beschrieben. "Die erzählerische Intensität dieses Buches fesselt bis zu den letzten Seiten", hieß es in einer Rezension der JUNGEN FREIHEIT. Nun wurde er 75jährig "heimgeholt", wie es im christlichen Sprachgebrauch heißt.

Werner Pfeiffer wurde am 23. Juli 1929 in Estland geboren, 1941 kam er mit seiner deutschbaltischen Familie in den damaligen Warthegau. 1945 deportierten ihn die Sowjets zur Zwangsarbeit in den hohen Norden Rußlands. Nach seiner Entlassung lebte er in Dahme (Mark), wo er wegen Mitwisserschaft einer Flugblattverteilung als 17jähriger Schüler zusammen mit einem Kameraden, der später in der Haft verstarb, wiederum von den Sowjets wegen "antisowjetischer Propaganda" zu zehn Jahren Arbeitserziehungslager verurteilt wurde. Cottbus, Sachsenhausen, Untermaßfeld, Brandenburg und Waldheim hießen die harmlos klingenden Stationen der kommunistischen "Menschenveredelungsanstalten", bevor er nach seiner Entlassung 1954 in den Westen fliehen konnte. Nach dem nachgeholten Abitur war er im Schuldienst, später in der Presse und Werbung tätig. Über mehrere Jahre veröffentlichte er Beiträge in der JUNGEN FREIHEIT.

Als Zeitzeuge, der sich in bittersten Zeiten als ein Vorbild an Anstand, Geradlinigkeit und Tapferkeit bewährt hatte, reiste er viel umher, um aus seinen Büchern zu lesen, getrieben von der Frage: "Werden die, die unbekümmert in Freiheit aufwachsen und nie ein ähnliches Regime wie das Stalins oder Hitlers kennengelernt haben, etwas aus diesem Buch lernen?" In dieser Hoffnung ist er, der auch dem vom Schriftsteller Ulrich Schacht geführten evangelischen St.-Georgs-Bruderschaftsorden angehörte, am 1. Mai 2005 gestorben. Ein tref-fenderes Motto hätte sich zu seinem Gedenken kaum finden lassen, als es aus dem 2. Brief des Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus über dem Trauerbrief stand: "Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe die Treue gehalten."

 

Siegmar Faust, 60, Schriftsteller, wurde in der DDR wegen "staatsfeindlicher Hetze" zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt und 1976 von der Bundesrepublik freigekauft.


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