© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/05 20. Mai 2005

Glanzvollster Schandfleck
Das Phänomen Las Vegas
Werner Olles

Noch vor sechzig Jahren war Las Vegas ein staubiges, vom Wind gepeitschtes Nest, bestehend aus einer Handvoll schäbiger Bordelle und billiger Kaschemmen. Heute ist es die am schnellsten wachsende Stadt der USA mit einer Hotelkapazität, die doppelt so groß ist wie die von New York. Jede Woche ziehen über 1.500 Menschen zu, und über fünfzig Millionen Besucher kommen jedes Jahr nach Las Vegas. Nur Mekka lockt ähnlich viele Pilger an.

Wie aus einer trostlosen Bahnstation mitten in der Wüste von Nevada, einem Eldorado für Pferdediebe mit einer einzigen schwer zugänglichen Wasserstelle, der "Inbegriff der amerikanischen Stadt", eine lärmende geschäftige Metropole wurde, deren Wachstumsrate in den USA eine absolute Spitzenstellung einnimmt, beschreiben Sally Danton und Roger Morris in ihrem wahrhaft atemberaubenden Buch "Las Vegas. Geld, Macht, Politik". Amerikas glanzvollster Schandfleck, der jedoch zunehmend auf das gesamte Land ausstrahlt, ist als Hauptsitz eines viele Milliarden Dollar schweren weltweiten Imperiums nicht nur eine der schillerndsten Vergnügungsstätten der USA, ein modernes Sündenbabel, sondern viel mehr noch das Zentrum ungeheurer wirtschaftlicher und politischer Macht.

Mit einer Gewinnspanne von über fünfzig Prozent ist die Glücksspielbranche neben Drogenhandel, Prostitution, Geldwäsche und Korruption eines der einträglichsten Geschäfte in Las Vegas. Nebenbei führt die Stadt die US-Statistik auch bei Verbrechen, Unfällen, Luftverschmutzung und Lungenkrebs an. Die Selbstmordrate ist doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt.

Als Zentrum der erfolgreichsten und profitabelsten US-Industrie ist sie gleichzeitig der Motor der amerikanischen Volkswirtschaft und das Symbol eines korrupten Systems. In einem Land, das vom großen Geld regiert wird, scheint die Abgrenzung von Wirtschaft und Staat zur organisierten Kriminalität immer undeutlicher zu werden. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in Las Vegas, diesem etwas überzogen wirkenden Mikrokosmos der übrigen USA.

 

Sally Danton, Roger Morris: Las Vegas. Geld, Macht, Politik. Zweitausendeins, Frankfurt 2OO5, 595 Seiten, gebunden, 26.90 Euro


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