© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/05 13. Mai 2005

Personenreigen
Schräg: "I Heart Huckabees" von David O. Russell
Claus-M. Wolfschlag

Der verhinderte Umweltaktivist und arme Poet Albert Markovski (Jason Schwartzman), ein weltfremder Träumer, ist unzufrieden mit seinem Leben und schimpft dies in Haßtiraden über den Zustand der Welt heraus. Doch dann geschieht etwas Seltsames, das er als schicksalhaftes Zeichen deutet. Innerhalb weniger Tage begegnet er dreimal einem unbekannten jungen Schwarzen, und zwar unter äußerst unterschiedlichen Umständen. Der verschrobene Markovski schließt aus diesen Begegnungen, seine seelische Co-Existenz gefunden zu haben. In einer geliehenen Jacke findet er zudem eine Visitenkarte der "Existential Detectives" Bernard (Dustin Hoffman) und Vivian Jaffe (Lily Tomlin).

Noch ein Zeichen, noch eine mysteriöse Begebenheit, wie Markovski meint. Neugierig geworden sucht der Verbohrte das Detektivpärchen auf, beauftragt es, Nachforschungen über seinen angeblichen Seelenverwandten anzustellen.

David O. Russell hat mit "I Heart Huckabees" einen äußerst schrägen, seltsamen Film gedreht, dessen detektivischen Ambitionen direkt in die Charakterforschung reichen. Das sehr auffällig agierende alte Detektivpärchen, eine Persiflage seiner selbst, übernimmt nämlich die Rolle von Therapeuten, die sich in Psychoanalyse versuchen. Folgerichtig wird Markovskis Leben gänzlich auf den Kopf gestellt. Er wird abgehört, überwacht und seelischen Experimenten ausgesetzt. So gelangt Markovski in eine Odyssee, bei der er den tieferen Sinn des Lebens zu ergründen versucht. Um seinen geistigen Horizont zu erweitern, wird ein Kontakt zu dem Feuerwehrmann Tommy Corn (Mark Wahlberg) hergestellt, der sich ebenfalls in einer Lebenskrise befindet, von Frau und Kind getrennt wurde, lieber mit dem Fahrrad als mit dem Feuerwagen zu Einsätzen fährt.

Seiner seelischen Co-Existenz begegnet Markovski hingegen an unerwarteter Stelle. Ausgerechnet der erfolgsverwöhnte Manager einer Supermarktkette, Brad Stand (Jude Law), der gerade Markovskis Umweltinitiative zu unterwandern versucht, erweist sich als der Gesuchte. Stand verkörpert den Manager-Typus par excellence, beruflich auf Karriere und Gewinnmaximierung orientiert, im privaten Leben sich am Warenfetischismus labend. Dieser Lackaffe kann die Welt nur durch den ihr innewohnenden Warencharakter wahrnehmen. Wie hatte der Psychologe Peter Lauster 1980 so schön geschrieben: "Viele wischen diese Erkenntnis schnell beiseite, sie wollen sich nicht voll bewußt machen, daß sie Marktobjekte sind und selbst im anderen solche Objekte sehen, denn sonst verlieren wir die Achtung vor uns selbst und den anderen."

Nur Stands Freundin, das Model Dawn Campbell (Naomi Watts), erträgt es nicht länger, ein Leben hinter Masken zu führen. Sie beschließt, dem von ihr verlangten Schönheitskult ein jähes Ende zu setzen und fortan ungepflegt mit Trachtenhaube und Latzhose durchs Land zu ziehen - sehr zum Mißfallen Stands, der seine Karriereaussichten gefährdet sieht und seine Freundin ermahnt, ihrer Funktion als Gesicht für eine Werbekampagne der Supermarktkette "Huckabees" gerecht zu werden. Bei einem Brand lernt sie den Feuerwehrmann Corn kennen und lieben, so daß ein weiterer Kreis in diesem heiteren Personenreigen geschlossen wird.

Russells immerhin mit zwanzig Millionen Dollar ausgestattetes Independent-Projekt (hierzulande wäre das eine Großproduktion) wartet mit einer Reihe bekannter Filmstars auf, die sich bereit fanden, für den Bruchteil ihrer üblichen Gage zu spielen. Für die Rolle des Models Dawn Campbell bewarben sich zwischenzeitlich auch Gwyneth Paltrow, Nicole Kidman und Jennifer Aniston. Selbst Britney Spears war zweimal zum Vorsprechen erschienen.

Diese illustre Schauspielerriege stolpert und verknäult sich nun in einem absurden Trip zum Lebenssinn. Eine klare Aussage erschließt sich bei dem dialoglastigen Streifen allerdings nicht. Und über den Humor läßt sich ebenfalls trefflich streiten. So bleibt nur die für Markovski beruhigende Erkenntnis, daß sie dort irgendwo, hinter allen Theorien, allem Geschwätz, den Verschrobenheiten und Masken, liegen muß: die Bestimmung unseres Seins.

Foto: Vivian (Lily Tomlin), Bernard (Dustin Hoffmann): Persiflage


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen