© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Den Liberalen ist der Spaß endgültig vergangen
FDP: Angst vor einem Desaster an Rhein und Ruhr / Niebel löst Pieper ab / Bundesparteitag in Köln verabschiedet neues Parteiprogramm
Hans Christians

Noch vor Beginn des Bundesparteitages der FDP in Köln an diesem Donnerstag standen die wichtigsten Ergebnisse bereits fest. "Natürlich wird Guido Westerwelle unser Bundesvorsitzender bleiben, sicherlich auch mit einem guten Ergebnis", nimmt der hessische Landesvorsitzende Jörg Hahn das Resultat der Neuwahl um den Parteivorsitz vorweg.

Dabei gilt Hahn nicht gerade als ein Intimus des parteiintern nicht unumstrittenen Westerwelle - doch im Sinne eines guten Ergebnisses bei den anstehenden Landtagswahlen wird auch er sich zurückhalten. Gleiches dürfte auch für andere unzufriedene Landesvorsitzende gelten, allen voran die jungen Landeschefs aus Sachsen und dem Saarland, Holger Zastrow und Christoph Hartmann. Beide führten ihre Partei im vergangenen September nach jahrelanger Abstinenz zurück in die Landesparlamente - "trotz der Unterstützung von Westerwelle und Pieper", wie ein prominenter Saar-Liberale spottet.

Immerhin: Die in den Westverbänden ungeliebte Cornelia Pieper wird in Köln ihren Posten als Generalsekretärin der Partei verlieren, der Nachfolger und Hoffnungsträger steht bereits seit Wochen fest: Dirk Niebel, 42, gilt in der FDP als Mann der Zukunft. Er soll zusammen mit dem Chef der Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, dafür sorgen, daß die FDP nach dem "Spaß"-Wahlkampf Westerwelles mit seinem "Guidomobil" bei der Bundestagswahl im Herbst 2002 wieder ein seriöses Image erhält.

Dies ist dringend nötig, denn die ersten Amtshandlungen, die Niebel noch vor seiner Wahl vornahm, zeigen das Dilemma der Liberalen. Im Gegensatz zum Parteivorsitzenden Westerwelle fordert der neue General eine Koalitionsaussage zugunsten der Union: "Ich bin der Meinung, daß wir auch im Bund zeitnah zur Wahl eine Koalitionsaussage machen sollten, und ich habe auch eine ganz konkrete Vorstellung: nämlich wechselseitig zwischen der Union und uns", fordert Niebel.

Sein Parteichef hatte derartige Avancen bisher immer vermieden und war dafür gerade nach dem Wahlergebnis von 2002 aus den eigenen Reihen heftig attackiert worden. Auch das schlechte Abschneiden der FDP bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, wo sie mit 6,6 Prozent der Stimmen ihr Wahlziel von zehn Prozent deutlich verfehlte, führen namhafte FDP-Politiker auf das Fehlen einer klaren Koalitionsaussage des Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki zurück.

Diese Resultate sind schmerzhaft und verordnen den liberalen Delegierten in Köln geradezu zwanghaft ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. In gut zwei Wochen wird an Rhein und Ruhr gewählt und die Chancen für einen Machtwechsel stehen nicht schlecht. Doch das liegt nicht an den Liberalen. Werden der Union in allen Meinungsumfragen satte Zugewinne bis hin zu einem Endergebnis von 45 Prozent prophezeit, so dümpelt Westerwelles ehemalige Spaß-Kombo bei rund sieben Prozent. Tendenz fallend. Parteiintern macht eine Horrorvision die Runde - die FDP könnte auf den letzten Metern an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und die Union allein regieren. Auszuschließen ist selbst das nicht. Denn nach dem unrühmlichen Abgang des ehemaligen NRW-Chefs Jürgen Möllemann, der vor seinem Tod von der Partei ausgestoßen wurde, sind die NRW-Liberalen nicht zur Ruhe gekommen. Möllemanns Nachfolger, der blasse und unauffällige Andreas Pinkwart, gilt parteiintern immer noch als Königsmörder. Programmatisch droht die FDP im Schlagabtausch zwischen Rot-Grün und Schwarz unterzugehen. "Die Chancen der Freiheit", heißt das neue Parteiprogramm. "Es geht darum, den Menschen die Ängste zu nehmen vor den Herausforderungen der Globalisierung. Wir wollen mit diesem Programm Mut machen für Veränderung. Es geht aus von dem Grundgedanken: Nur mehr Arbeit bedeutet mehr Freiheit", sagt Cornelia Pieper. Doch inhaltlich bietet das Papier wenig Neues.

Da half es auch wenig, daß Parteichef Westerwelle am vergangenen Wochenende - pünktlich zum Tag der Arbeit - den Gewerkschaften den Kampf angesagt und damit einen handfesten Krach mit DGB-Chef Michael Sommer heraufbeschworen hat. Im Nachrichtenmagazin Focus bezeichnete Westerwelle Gewerkschaftsfunktionäre als "die wahre Plage in Deutschland". Er kündigte an, die Gewerkschaften nach einem Wahlsieg 2006 entmachten und dafür auch Massenproteste in Kauf nehmen zu wollen. Konkret kündigte der FDP-Vorsitzende an, bei einer Regierungsbeteiligung der Liberalen sollten das Tarifvertragsrecht und die Mitbestimmung eingeschränkt werden. "Daß die stellvertretende DGB-Chefin Ursula Engelen-Kefer und der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske gegen ihre Entmachtung Hunderttausende auf die Straße bringen werden, damit muß ich rechnen", wird Westerwelle zitiert. Solche Massenproteste müßten aber im Interesse einer Gesundung Deutschlands in Kauf genommen werden. "Wenn wir nicht den Mut haben, die Fremdbestimmung der Arbeitnehmer durch Funktionäre zu stoppen, wird eine neue Regierung scheitern."

Westerwelle sagte weiter, Deutschlands Problem seien nicht die vom SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering genannten Heuschreckenschwärme der Unternehmer, "sondern die Bsirskes und die Engelen-Kefers". Die Politik der Gewerkschaften koste mehr Jobs, als die Deutsche Bank je abbauen könne. Mit diesem Vorstoß konnte sich Westerwelle nicht nur des umgehenden Konters von Gewerkschaftsvertretern sicher sein, auch innerhalb der Partei hielt sich der Beifall in Grenzen. Gerade in den strukturschwachen Gebieten des Ruhrgebietes könnte ein radikal-marktwirtschaftlicher Kurs der FDP schlimme Folgen haben.

Protest wird sich auf dem Parteitag in Köln dennoch kaum regen. Der Grundsatzrede des Bundesvorsitzenden werden die Delegierten stehend applaudieren. Doch die drängenden Zukunftsfragen der Liberalen werden nicht beantwortet. Schließlich winkt durch die Rolle als Mehrheitsbeschaffer nicht nur die Regierungsbeteiligung in Düsseldorf. Auch in Berlin sehen sich Westerwelle und Co. schon an den Schalthebeln der Macht. Auch wenn programmatisch nur wenig dahintersteckt.


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