© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Bestialisch
Morde tschechischer Partisanen
Reinhard Wolf

In den Jahren 1938 bis 1946, unterbrochen durch den kurzen Aufenthalt 1945 in Landskron, lebte unsere Familie im eigenen Haus in Freiwaldau im Altvatergebirge. Unser Vater mußte im Krieg Wehrdienst leisten. Von den Kriegsereignissen hörte ich durch die Berichterstattung im Radio. Ansonsten machte sich der Krieg durch alliierte Flugzeugstaffeln bemerkbar, die in großer Höhe und damit unerreichbar für die Flugabwehr ins oberschlesische Kohlengebiet flogen, um dort zu bombardieren.

Als die russische Front näher kam, verfügten die Behörden - es war sinnloser Aktionismus - wenige Monate vor Kriegsende eine Evakuierung in das südwestlich gelegene und achtzig Kilometer entfernte Landskron. Wir kamen in eine Wohnung im zweiten Stock direkt am Marktplatz. Inzwischen hatte sich meine Großmutter mütterlicherseits uns angeschlossen und mein ältester Onkel, ein gehbehinderter Musiker. Mit dabei waren noch meine Mutter und meine beiden jüngeren Geschwister.

Sogenannte Partisanen, von denen man während des Krieges nichts gehört hatte, wurden nach Kriegsende mutig und traten auf den Plan. Sie trieben alle deutschen Männer auf dem Marktplatz zusammen und hielten einen "Volksgerichtshof" ab. Die Männer mußten stundenlang stehen und wurden alle verprügelt. Mindestens 25 Stockschläge. Ich stand am Dachfenster und beobachtete das Geschehen. Mißliebige denunzierte Deutsche wurden bestialisch gequält und dann aufgehängt; andere wurden erschossen oder im Brunnen ertränkt. Meine Mutter zog mich vom Fenster weg, doch ich hatte viel mit angesehen. Mein Onkel hatte die Prügel überlebt. Zum Glück war meinem Vater diese Tortur erspart worden; er befand sich damals in Lagerhaft.

Mit ihren von den Tschechen mehrfach gefilzten Habseligkeiten auf einem Handwägelchen zog die Familie wenig später zurück nach Freiwaldau, und wir konnten wieder in unserem Haus wohnen. Nun mußte meine Mutter allein die Familie ernähren und für die Lebensmittelkarten hart arbeiten. Im Sommer 1946 mußten wir in kürzester Zeit das Haus räumen; Auftakt zur organisierten Vertreibung. Nach dreitägiger Bahnfahrt im offenen Viehwaggon erreichten wir bei Furth im Wald die deutsche Grenze und fanden in Heubach und später in Aalen in Baden-Württemberg unsere neue Heimat. 

Reinhard Wolf, Großgrotzenburg


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