© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/05 29. April 2005

"Beliebigkeit hat bei uns keinen Platz"
Österreich I: FPÖ-Parteitag wählt Heinz-Christian Strache zum neuen Parteichef / Rückbesinnung auf freiheitliche Werte / Harsche Kritik an Haider und dem BZÖ
Bernhard Tomaschitz

Was auch immer auf Erden besteht, besteht durch Ehre und Treue, wer die alte Pflicht verrät, verrät morgen die neue". Mit dieser Strophe eines Gedichts von Adalbert Stifter umschrieb der Gastgeber, der Salzburger FPÖ-Obmann Karl Schnell, in seiner Begrüßung das Motto des 27. ordentlichen Parteitags der Freiheitlichen in Salzburg: Rückbesinnung auf freiheitliche Werte und Tugenden.

Dieser Rückbesinnung ging freilich eine Abrechnung mit dem vorletztes Wochenende ebenfalls in Salzburg gegründeten Bündnis Zukunft Österreichs (BZÖ) um Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider voraus (siehe Seite 3 und JF 17/05). Der nach dem Austritt von Haider-Schwester Ursula Haubner interimistische FPÖ-Obmann Hilmar Kabas meinte in seiner Rede, daß viele Entwicklungen der letzten zweieinhalb Jahre "nicht hätten stattfinden dürfen". Den Umstand, daß in dieser Zeit zweimal die FPÖ-Führungsgarnituren "komplett weggebrochen" sind, bezeichnete der Wiener als "weltweit einmalig".

Die BZÖ-Abspaltung der letzten FPÖ-Spitzenmannschaft sei "kein harmloser Vorgang" gewesen: "Sie haben uns damit bewußt geschwächt." Zu den Vorgängen in Kärnten, wo - nach Ansicht von Kabas - unter Verstoß gegen die Satzung ein FPÖ-Parteitag per SMS einberufen wurde, erklärte er: Die Vorgehensweise, Delegierte "irgendwie zusammenzufangen", sei undemokratisch und entspräche einer Diktatur. "Wir lassen uns nicht auf den Kopf machen und sagen dann noch danke", meinte Kabas. Bezüglich Oberösterreich, wo er die FPÖ-Landesparteiführung ausgeschlossen hatte, gestand Kabas Fehler ein, für die er sich entschuldigte und die Hand zur Versöhnung reichte.

Finanzreferent Detlev Neudeck bezifferte die Bankverbindlichkeiten der FPÖ mit 3,1 bis 3,2 Millionen Euro. Die hohen Ausgaben bis 2002 begründete Neudeck damit, daß bis 2002 "teure Kampagnen gefahren wurden". Der jetzige Schuldenstand resultiere daraus, daß die FPÖ wegen des Absturzes bei der Nationalratswahl (von fast 27 auf 10,2 Prozent) eine deutlich niedrigere Parteienförderung erhält. Der Rechnungsprüfer, der Wiener Stadtrat Johann Herzog, wies auf "bedenkliche Vorgänge" in den Jahren 2000 bis 2004 hin. Eine "Prognose über den Horizont der Finanzplanung" sei nicht möglich, so Herzog. Die Delegierten verweigerten dann auf Antrag Herzogs den früheren FPÖ-Chefs Susanne Riess-Passer (2000 bis 2002), Mathias Reichhold (2002), Herbert Haupt (2002 bis 2004) und Ursula Haubner (2004 bis 2005) die Entlastung.

Auch Heinz-Christian Strache rechnete in seiner Rede mit dem BZÖ ab und forderte die Rückbesinnung auf alte Tugenden: "Die Menschen sollen wissen, wofür diese FPÖ steht. Beliebigkeit hat bei uns keinen Platz, nicht das Zeitalter der Ideologielosigkeit ist angebrochen, sondern das Gegenteil", so Strache, dessen Rede mehrfach von Applaus unterbrochen wurde. "Wir werden auch das orange Liberale Forum überleben", meinte er in Anspielung auf das BZÖ und die 1993 gegründete - und längst bedeutungslose - linke FPÖ-Abspaltung LIF. Die "Wohlfühldiktatur" des BZÖ erinnere ihn an "lässige Demokratien wie China und Nordkorea". Haider, "der Michael Jackson der Innenpolitik, der permanent sein Gesicht verändert, so daß ihn die Leute nicht mehr erkennen", habe mit der Abspaltung nicht nur das Regierungsübereinkommen gebrochen, sondern auch eine mit ihm getroffene Vereinbarung zur Zukunft der FPÖ, so Strache. Die FPÖ werde wieder zur Lobby des Bürgers und "des kleinen Mannes".

Bezüglich des Leitantrags "Hin zu den Menschen - zurück zu den Werten" forderte der Wiener Obmann von Zuwanderern die verpflichtende Anerkennung der Leitkultur. Denn es sei eine "Selbstverständlichkeit, sich anzupassen und unterzuordnen". Die auf "abendländischer Tradition" beruhenden Werte dürften nicht "multikultureller Beliebigkeit" geopfert werden.

Eine Gefährdung dieser Werte sei der Islamismus. Mit Blick auf den Kopftuchzwang sagte Strache: "Die Unterdrückung der Frauen hat bei uns nichts verloren." Deshalb forderte der 35jährige Familienvater einen Einwanderungsstopp. Ein Punktesystem, das eine Prognose zur wirtschaftlichen und kulturellen Integration von Zuwanderern gestattet, müsse her. Denn es gelte, Parallelgesellschaften zu vermeiden.

Strache zeigte sich darüber enttäuscht, daß in den letzten fünf Jahren - trotz ÖVP-FPÖ-Koalition - mehr Menschen als je zuvor nach Österreich gelassen wurden. Die EU, "die nicht unsere Heimat ist", werde man sehr kritisch betrachten und darauf achten, daß die Rechte Österreichs gewahrt bleiben. Eine Absage erteilte er der Entsendung von österreichischen Soldaten ins Ausland ohne UN-Mandat, wie es nach der EU-Verfassung, deren Ratifizierung abgelehnt wird, möglich wäre.

Von den 427 Delegierten - unter ihnen die Nationalratsabgeordneten Barbara Rosenkranz, Reinhard Bösch und Helene Partik-Pablé, Bundesrat John Gudenus und EU-Abgeordneter Andreas Mölzer - wurde "HC", wie seine Freunde ihn nennen, mit 90,11 Prozent zum zehnten FPÖ-Chef gewählt. Unter Jubel wurde der neue Obmann dann auf Schultern zum Podium getragen. Ob die Aufbruchsstimmung anhält und beim Wähler ankommt, muß sich aber erst erweisen.


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