© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

Mit 66, da fängt das Lachen an
So jung und so verdrossen
Werner Norden

Ältere Menschen sind besser gelaunt und weniger besorgt als junge Menschen. Außerdem neigen sie eher dazu, in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit negative Eindrücke auszublenden oder zu verdrängen. So jedenfalls lautet das Ergebnis einer Studie der Sozialwissenschaftlerin Susan Charles von der Universität Irvine im US-Bundesstaat Kalifornien, die die Lebenseinstellungen und Gefühlswelten von Jüngeren und Älteren zum Forschungsgegenstand hatte.

Fast hatte man es sich ja schon gedacht, angesichts mißmutig durch die Gegend schlurfender, irgendwie aber doch lifegestylter, Kommunikationsstrukturen aufbauender, Beziehungen hinterfragender und ihre sensiblen Potentiale mitsamt dem gesamtgesellschaftlichen Subjektivismus einbringender Zwanzigjähriger beiderlei Geschlechts. Relativ unfroh macht offenbar auch das Muster, bis Mitte Dreißig zu Hause zu hocken und dann erst in die Pubertät zu kommen.

Da bleibt nur noch der Chat-room als emotionale Heimat und gewissermaßen letzte Zuflucht. Hier darf man sich endlich so geben, wie man wirklich ist, je nach Façon kindlich naiv oder abscheulich langweilig, von messianischem Sendungsbewußtsein durchdrungen oder einfach nur ein bißchen blöd. Und das ist in der Tat ein wenig zum Weinen, gerade so wie die Graffiti rebellischer, junger Künstler, gegen die die Inschriften auf jeder Kaufhaustoilette von geradezu poetischem Realismus und bildhafter Überzeugungskraft sind.

Möglichenfalls verdankt sich die schlechte Laune der jungen Leute von heute zu einem Teil aber auch gewissen hyperaktiven Jugendbeauftragten und Sozialpädagogen, die es mit der Grünen-Parole "Kinder an die Macht!" immerhin zu einiger Breitenwirkung brachten. Das Schlimmste daran ist jedoch, daß die Alten offenbar nicht einmal mehr genug Autorität haben, um solcherlei Quatschnasigkeit zu unterbinden. Vielleicht ist es ihnen aber auch schlichtweg schnurz, was die Nachrückenden an verblasenen und gleichzeitig jämmerlichen Erkenntnissen alles von sich geben. Denn wir lassen uns trotz Arthrose und Zirrhose, trotz drohenden Schlaganfällen und Herzinfarkten und der seit Jahren sinkenden Rente unsere gute Laune einfach nicht verderben. Getreu dem Motto: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst!


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