© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

Pankraz,
V. von Pechstädt und die Liebe als Nachsteller

Drei Jahre hinter Gitter sollen künftig Männer kommen, die sich einer spröden, unwilligen Geliebten allzu oft vors Auge rücken, im Auto sehnsüchtig vor ihrem Haus auf ihr Erscheinen warten, ihr dauernd Blumen schicken, sie mit Telefonanrufen, E-Mails oder SMS-Botschaften eindecken. So sehen es Gesetzentwürfe des Bundesrates bzw. des Berliner Justizministeriums vor. "Nachstellung" oder auch "Psycho-Verfolgung" soll der neue Straftatbestand heißen, englisch "stalking", was aus der Jägersprache kommt und soviel wie "anschleichen", "anpirschen" bedeutet.

Ob den hochoffiziellen Gesetzesinitiativen eine ernstzunehmende reale Lage entspricht, läßt sich schwer nachprüfen. Die Sache ist, wie so vieles heutzutage, vor allem ein Medien-Ereignis. Es gibt in Amerika und auch schon bei uns eine höchst wichtigtuerisch daherkommende "Stalking-Forschung", es gibt Psychologen, die Stalking-Opfer "betreuen" und dafür Reklame machen, es gibt im Internet die Stalking-Seite von Herrn Dr. Volkmar von Pechstädt, wo sich Opfer melden und ausweinen können. "Stalking" ist ausgesprochen "in", und so konnte es nicht ausbleiben, daß sich auch die Regierung, immer auf der Suche nach "weichen" Themen, einmischen würde.

Man will nicht nur gegen zudringliche Liebhaber vorgehen, sondern auch gegen andere "Belästiger" und "Nachsteller", d.h. ganz allgemein gegen Leute, die sich wie Kletten an sogenannte Prominente anhängen, ihnen mit ihrer Verehrung auf den Wecker fallen, sie wie Hunde umwedeln und anhimmeln. Das, so die Berliner Justizministerin Zypries von der SPD, habe inzwischen ein schier unerträgliches Ausmaß erreicht. Es schränke das Leben der Promis schwerwiegend ein, und deshalb müsse man die Nachsteller gegebenenfalls in den Knast bringen.

Auslassungen wie diese zeigen vor allem eines: Man hat - wieder einmal - den Tatbestand, gegen den man jetzt strafrechtlich vorgehen will, selber geschaffen, und zwar sehenden Auges. Man hat auf allen Ebenen einen ungeheuren Starrummel entfesselt, man giert nach medialer Präsenz und organisiert seine Auftritte entsprechend, man wirft sich gewissermaßen unentwegt in hautenge Klamotten, ergeht sich unentwegt in lasziven Gebärden - und erregt sich dann darüber, daß der Pöbel darauf anspricht und den Stars zurückgibt, worauf es diese von vornherein angelegt hatten.

Niemand, auch keine Justizministerin, kann einem ja einreden, daß den Stars die Anhimmelei und Schwanzwedelei grundsätzlich unangenehm und peinlich sei. Das Gegenteil ist der Fall. Kein Star, ein Politstar am allerwenigsten, möchte auf dergleichen verzichten, nur will er eben absoluter Herr des Verfahrens bleiben, will stets selbst bestimmen, wann man ihn anhimmeln darf und wann man ihn seiner "wohlverdienten" Ruhe überlassen muß. Das ist sogar verständlich, relativiert die offizielle Empörung über "Stalking" freilich beträchtlich.

Statt neue, nur allzu auslegungsbedürftige Paragraphen aufzurichten, könnte man schon einmal beim eigenen Benehmen den Anfang machen. Das gilt für TV-Sternchen und Politiker ebenso wie für Frauen im allgemeinen. Deren Gebärdensprache, ihr "Outfit" und ihr ganzes Auftreten wurden im Zeichen der "sexuellen Revolution" häufig geradezu auf "Stalking" abgestellt. Man gab sich von da ab grob aufreizend, entsublimierend, eindeutig darauf bedacht, ein erotisch aufgeladenes Dauerklima zu schaffen. Hier einiges zurückzunehmen und sich wieder mehr an den überkommenen, durchaus bewährten Umgangsformen zwischen den Geschlechtern zu orientieren, würde der ganzen Stalkerei wahrscheinlich schnell den Garaus machen.

Zudringliche Männer, die nicht erkennen, wann genau das Ende eines erotischen Spiels gekommen ist und ab wann man eine Abweisung mit Grandezza hinzunehmen hat, gab es auch schon in früheren Zeiten. Nur waren die stillschweigende gesellschaftliche Übereinkunft und der sie schützende, strikt vorstaatlich funktionierende Sanktionsapparat gegen eventuelle Sünder damals noch so intakt, daß auch der Begriffsstutzigste schnell begriff, was sich gehörte. Übereinkunft und Sanktionsapparat sind genau von denen zerstört worden, die sich heute als Stalking-Opfer gerieren und nach dem Kadi rufen. Die Gesetze, die sie erlassen wollen, werden mit Sicherheit zu einer weiteren Uniformierung und Entliberalisierung der Gesellschaft führen.

Was sich an erotischem Elend und grellem Schrecken zwischengeschlechtlicher Gemeinsamkeit heute noch vorwiegend in Scheidungsprozessen und langwierigen zivilrechtlichen Verfahren austobt, das wird sich künftig nun auch auf voreheliche, vorfamiliäre Verhältnisse erstrecken und Teil der Strafgerichtsbarkeit werden. Habe ich ihr zu viele Blumen geschickt? Habe ich sie zu oft angerufen? War diese SMS zu frech? War diese E-Mail zu störend? Solche Fragen werden künftig also vor dem Kriminalgericht verhandelt werden.

Die ganze Sphäre des gehobenen Liebesspiels wird potentiell kriminalisiert, übrigens ohne dabei verrechtlicht zu werden. Denn was in eroticis zuviel und was zudringlich ist, kann gar nicht verrechtlicht werden. Es bleibt ins Belieben der Ankläger und der Richter gestellt.

Viel tut sich das Abendland darauf zugute, daß es den vorehelichen Liebesverkehr liberalisiert und den Einsprüchen von Clans und Familienoberhäuptern entzogen habe, so daß die Liebenden endlich frei seien sowohl in der Wahl der Partner als auch in der Wahl der Umgangsformen. Als abschreckendes Gegenbeispiel wird der Islam mit seinen "Zwangsheiraten" und "Ehrenmorden" hingestellt.

Nun, noch vor der nächsten parlamentarischen Sommerpause könnten sich gänzlich neue Vergleiche anbieten. Dann entscheiden bei uns möglicherweise die Strafrichter darüber, ob ein Jüngling seiner Angebeteten zu frech gekommen ist und ob er dafür bestraft werden muß. Armes Abendland.


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