© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

Bienenvölker auf der Flucht
Bioinvasoren: Der aus Afrika stammende Beutenkäfer ist auf dem Sprung nach Mitteleuropa
Stefanie Wegner

Auf die deutschen Imker und ihre etwa 900.000 Bienenvölker kommt eine neue Gefahr zu. Nachdem man sich einigermaßen auf die Schädlinge Wachsmotte und Varroa-Milbe eingestellt hat, droht jetzt ein Befall durch den aus Afrika stammenden Kleinen Beutenkäfer (Aethina tumida), ein winziges schwarzes Insekt, das den Bienennachwuchs auffrißt, sich aber auch von Bienenprodukten wie Pollen und Honig ernährt.

Infizierte Bienenvölker werden so rasch dezimiert oder zur Flucht gezwungen. Darüber hinaus verderben die Käferlarven durch ihren Kot den Honig, welcher ein "schleimiges" Aussehen bekommt. Die ökologischen wie ökonomischen Folgen sind gravierend. Für einen Bienenstock mit 50.000 Bienen braucht der Käfer gerade zwei Wochen, dann ist der Stock zerstört.

Außerhalb Afrikas wurde der Kleine Beutenkäfer 1996 erstmals in den USA entdeckt, seit 2000 sind auch Befälle in Kanada, Australien und Ägypten bekannt. Da er jüngst in Portugal gesichtet wurde, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Schädling sein Unwesen auch in Deutschland treibt. Bedingt durch seine große Widerstands- und Fortpflanzungsfähigkeit ist eine Ausrottung des Käfers unmöglich, sobald er eingeschleppt wurde, da er keine natürlichen Feinde hat und die europäischen Bienenvölker, anders als ihre Artgenossen in Afrika, wo der Schädling als harmlos gilt, kein eingeübtes Abwehrverhalten ihm gegenüber entwickelt haben.

Das zur Gruppe der Glanzkäfer (Nitidulidae) gehörende Insekt ist ein typischer Bioinvasor. So werden Organismen bezeichnet, die sich mit direkter oder indirekter menschlicher "Hilfe" in fremden Ökosystemen ansiedeln und eine ernste Gefahr für die Artenvielfalt darstellen. Zwar gab immer schon Wanderungen von Lebewesen, doch gingen diese bisher relativ langsam vonstatten, so daß das betroffene Ökosystem Zeit hatte, sich auf den Eindringling einzustellen oder ihn wieder zu verdrängen.

Im Zeitalter der Globalisierung, in dem natürliche Grenzen wie Flüsse, Berge und Meere durch eine exponentiell erhöhte Mobilität in viel geringerer Zeit überbrückt und andere Erdteile innerhalb von Stunden erreicht werden können, geht die Einschleppung von Bioinvasoren rasant vonstatten. Meist geschieht sie durch Flugzeuge und Schiffe. Auch die industrialisierte Landwirtschaft mit ihrer Massenproduktion in Monokulturen trägt dazu bei - wie jeder einzelne durch den Wunsch nicht nur nach exotischen Früchten, sondern auch ständig verfügbarer "Saisonware" wie Erdbeeren oder Äpfel. Daß beim billigen Massenimport auch Bioinvasoren dabei sind, kann angesichts des Preisdrucks nicht verhindert werden.

Im Falle des Kleinen Beutenkäfers setzt das Bundesministerium für Verbraucherschutz daher auf Aufklärung und Vorbeugung: Schon 2003 ist eine 24seitige Broschüre zu dem Thema erschienen. Seit August 2003 besteht in der EU die Anzeigepflicht für den Befall mit dem Bienenschädling, außerdem wurden die Einfuhr von Paketbienen und Bienenschwärmen aus Nicht-EU-Ländern untersagt. Mit erhöhter Kontrolle und Sauberkeit sollen die etwa 90.000 deutschen Berufs- und Freizeitimker der Gefahr vorbeugen und lernen, mit ihr umzugehen. Chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln, die in den USA seit dem Käferbefall eingesetzt werden, steht man hierzulande skeptisch gegenüber: Die synthetischen Insektizide greifen auch die Bienen an, außerdem hinterlassen sie problematische Rückstände im Honig. 


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