© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

Trübe Aussichten
Enteignungen II: Die enttäuschten Klagevertreter schließen weitere juristische Wege im Kampf um ihr Eigentum nicht aus
Matthias Bäkermann

Die Erleichterung war der Bundesjustizministerin anzusehen. "Endlich herrscht jetzt Rechtssicherheit", diktierte Brigitte Zypries (SPD) nach dem Richterspruch vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) den Journalisten in die Mikrofone. Ihr Seufzer klang, als sei mit der Abweisung der Klage der Alteigentümer das letzte Hindernis aus dem Wege geräumt: Endlich stehe nun der wirtschaftlichen Entwicklung in der ehemaligen DDR nichts mehr im Wege.

Ernüchternder klang das aus dem Kreis der Betroffenen. Stefan von Raumer, einer der Rechtsvertreter der in Straßburg klagenden Enteignungsopfer aus der Zeit zwischen 1945 und 1949, wertete die Niederlage als fatal für die Entwicklung in den neuen Bundesländern. Neben den mehreren tausend Alteigentümern, die einen Besitz von über 100 Hektar verloren hatten, gelte dieses Urteil auch für die zehnfache Anzahl von mittelständischen Unternehmen. "Man darf nicht vergessen, daß in der sowjetischen Besatzungszeit der Mittelstand liquidiert worden ist", so von Raumer. Mit dem Straßburger Urteil werde der dringend notwendige wirtschaftliche Impuls verhindert, den gerade diese vielen Mittelständler zwischen Zwickau und Saßnitz wecken könnten.

Die Entscheidung selbst werteten Anwälte wie Interessenvertreter, sei es Manfred Graf von Schwerin von der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) oder Beatrix Herzogin von Oldenburg des Göttinger Kreises - Allianz für den Rechtsstaat, als politisches Urteil. Sicherlich sei es schwer, den europäischen Richtern nachzuweisen, ob, von wem und wie sie politisch beeinflußt worden seien. Trotzdem weiche die Straßburger Richterspruch rein formal von gewöhnlichen Urteilen ab, was zumindest Fragen aufwerfe. So sei es üblich, daß mit dem Urteil auch das Stimmenverhältnis der 17 Richter wiedergegeben und auf das Minderheitenvotum in der Urteilsbegründung auch inhaltlich eingegangen werde. Auf beides sei in diesem Fall verzichtet worden, so von Raumer.

Es bleiben noch politische Einflußmöglichkeiten

Selbstkritisch ging der Anwalt darauf ein, daß er - "zumindest intern" - schon vorher die Aussicht auf einen positiven Spruch in Zweifel zog. So habe der EMGR aktuell nicht die Rechtmäßigkeit der Enteignungen festgestellt, sondern nur die in Deutschland geltenden Rechtsnormen geprüft und festgestellt, daß diesen entsprochen wurde. Ob damit in unserem Staat auch gleichzeitig rechtsstaatliche Bedingungen herrschten, darauf sei nicht eingegangen worden.

Weitere juristische Schritte, die sowohl von Raumer als auch Thomas Gertner als anderer Prozeßbevollmächtigter der Alteigentümer nicht ausschlossen, könnten kurzfristig keine Erfolge zeitigen. So zieht von Raumer den Klageweg über amerikanische Gerichte in Erwägung, obwohl er diesen nicht als Ideallösung sieht. "Als Profi muß ich meinen Mandanten die Option vorstellen, obwohl ich persönliche Bedenken habe, daß US-Gerichte über deutsches Recht bestimmen sollen." Zudem sei dieser Weg sehr riskant und kostspielig, da teure US-Anwälte konsultiert werden müßten.

Gertner zieht einen anderen Weg vor: Der Charakters der Enteignungen, die mit Vertreibung, Verfolgung und sogar Tötung der Eigentümer auf eine Existenzvernichtung zielten, sei nicht als "gewöhnliche Enteignung" zu werten, sondern weise klare räuberische und damit völkerrechtswidrige Merkmale auf. Deshalb will Gertner seine Fälle neu vor der UN-Menschenrechtskommission in Genf verhandeln. Doch selbst wenn an dieser Stelle die Völkerrechtswidrigkeit festgestellt werde, müsse dieses noch von der UN-Vollversammlung bestätigt werden. Und selbst nach diesem langwierigen Verfahren wäre die Bundesregierung bei der Umsetzung nicht derart weisungsgebunden, wie sie es bei Urteilen aus Straßburg gewesen wäre.

Es bleiben noch politische Einflußmöglichkeiten, merkt Beatrix Herzogin von Oldenburg an. Man müsse den Politikern deutlich machen, welche Chancen die Rückgabe heute teilweiser brachliegender Flächen für die wirtschaftliche Entwicklung böte. Doch ihrem Gesicht ist anzusehen, daß die Hoffnung auf diese politische Einsicht ohne das bislang bestehende juristische Druckmittel nicht unbedingt größer geworden ist.


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