© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

An der Seite der Kämpfer
Südtiroler Frauen berichten
Beatrix Madl

Im Jahr 1946 wurde Südtirol im Gruber-Degasperi-Abkommen Autonomie zugesichert, die das zentralistische Italien in der Folge nicht umsetzte. Im Gegenteil: Die Südtiroler wurden mit der Majorisierung im eigenen Land durch italienische Arbeiterfamilien aus dem Süden konfrontiert, die in der Bozner Industriezone angesiedelt wurden.

Nach der großen Demonstration am Schloß Sigmundskron von 30.000 Südtirolern mit der Forderung nach Selbstbestimmung im Jahr 1957 schlossen sich Aktivisten zusammen: Der Befreiungsausschuß Südtirol wurde gegründet, um mit der "Taktik der Nadelstiche" internationale Aufmerksamkeit auf das kleine Land zu lenken. Sepp Kerschbaumer war Leitfigur dieser Taktik. Jörg Klotz strebte gar einen Partisanenkampf an. Daß es nicht nur die männlichen Helden gab, zeigt die Südtiroler Journalistin Astrid Kofler auf, indem sie die "Frauen in den Südtiroler Bombenjahren" vorstellt.

In Essays und Interviews mit Töchtern und Ehefrauen sowie Aktivistinnen erfährt der Leser, wie die Frauen und die Familien mit dem Kampf der Familienväter und dessen Folgen wie Verhören, Haft, Folter oder gar Tod umgingen. "In der Vergangenheit waren immer die Frauen die Leidtragenden, die Frauen und die Familien", sagt denn auch Rosa Klotz, Ehefrau des Jörg Klotz, ganz offen. Christl Kerschbaumer, jüngste Tochter Sepp Kerschbaumers, die ihren Vater kaum noch erlebt hat, wurde von ihrem Sohn gefragt, ob sein Großvater ein guter oder schlechter Terrorist war. Sie antwortete: "Ich habe gesagt, er gilt als gut."

Mit Stolz hingegen enthüllt die Kunsthistorikerin Herlinde Molling ihre eigenen nun verjährten Taten erstmalig. Sie beschreibt, wie die Angst ihr den Mund austrocknete, während ihr kleines Kind im Auto schlief und sie einen Strommast mit Sprengstoff präparierte. "Diese allgemeine Ansicht, daß mit der Frau nicht zu rechnen ist, hat mir einen großen Vorteil verschafft; ich konnte in absoluter Ruhe alle meine Sachen machen."

Kofler liefert einen empfehlenswerten Beitrag zur Zeitgeschichte. Die Kurzbiographien der männlichen Helden erleichtern den Zugang zum Thema erheblich.

Astrid Kofler: Zersprengtes Leben. Frauen in den Südtiroler Bombenjahren. Edition Raetia, Bozen 2004. 520 Seiten, gebunden, 33,50 Euro


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