© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Völkische Religiosität
Ein wissenschaftlicher Ansatz
Claus-M. Wolfschlag

Das sogenannte Neuheidentum geistert von Zeit zu Zeit durch die Gazetten, ohne daß in der Regel eine tieferschürfende, neue Erkenntnis zu dieser Thematik erreicht würde. Die Kritiker - ob "antifaschistisch" oder kirchlich motiviert - üben sich im pauschalen Verdammen, die Masse der Bevölkerung zeigt sich wenig informiert, und die Neuheiden selber verlieren sich oft lieber in sektiererischer Abschottung und internem Zwist, statt öffentlichkeitswirksame Aufklärung zu betreiben.

In dieser Situation tut unabhängige, sachliche Forschungsarbeit gut. So wie sie der junge Historiker Daniel Junker mit seiner veröffentlichten Magisterarbeit "Gott in uns!" vorgelegt hat. Junker hat sich den Anfängen der "völkischen Religiosität" in Deutschland gewidmet, die sich nach dem Meilenstein der Gewährung individueller Religionsfreiheit 1848 im Kaiserreich entwickeln konnte. Junkers Augenmerk bei der Vielzahl sich bekämpfender Zirkel liegt auf der 1913 gegründeten und heute noch bestehenden Germanischen Glaubens-Gemeinschaft, deren wichtigster Träger der Maler Ludwig Fahrenkrog war. Religiöse Grundaussagen, geistige Vorläufer, geschichtliche Entwicklung, publizistische Aktivität und Mitgliederentwicklung dieser recht bedeutenden Gruppierung werden ebenso dargelegt wie die Haltung der Amtskirchen.

Junker nähert sich kritisch dem Forschungsgegenstand, zeigt die verhängnisvoll häufige Verbindung von germanischer Religiosität mit rassistischen Denkmustern bei den frühen Neuheiden - ein Umstand, der sie einerseits zum Mitbegründer des Nationalsozialismus werden, andererseits die Widerstandskräfte gegen die keineswegs altgermanisch orientierte, sondern modern orientierte NS-Herrschaft erschlaffen ließ. Zwar wurden die neuheidnischen Sektierer von Hitler bewußt kaltgestellt, doch ihr Aufbegehren gegen diese Tendenz beschränkte sich auf Wehmut und Klagen. Trotz dieser offenen Worte verzichtet der Autor aber auf den moralisch erhobenen Zeigefinger.

Interessant ist an der leicht lesbaren Untersuchung, wie klein der Kreis der Anhänger des Neuheidentums in Kaiserreich und Weimarer Republik war und wie es dieser Kreis aus Intellektuellen, Künstlern und Bildungsbürgern doch schaffte, eine größere publizistische Rolle einzunehmen. Ein Medienphänomen also. Und hiervon werden die heute neu formierten Neuheiden, personell wieder erstarkt, großenteils geläutert, aber die schwere Last der NS-Mitverantwortung tragend, noch lernen müssen.

Daniel Junker: Gott in uns! Die Germanische Glaubens-Gemeinschaft. Ein Beitrag zur Geschichte völkischer Religiosität in der Weimarer Republik. Verlag Daniel Junker, Hamburg 2004, 119 Seiten, broschiert, 10 Euro


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