© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Pankraz,
Camilla Parker Bowles und die Macht des Eros

Die lebenslange Affäre zwischen Camilla Parker Bowles und dem britischen Thronfolger Prinz Charles, die nun mit der Hochzeit der beiden ihren gewissermaßen versöhnlichen Abschluß findet, interessiert nicht nur Hofschranzen und Klatschkolumnisten nebst angeschlossenem Massenpublikum, sondern doch auch seriöse Psychologen und sogar einige Historiker. Was Eindruck macht, ist die Intensität und Dauerhaftigkeit dieser Beziehung, ihre offenbare Unausweichlichkeit, ihre "Urgewalt", wie es Professor Frey von der Universität München ausdrückte.

Von "Wahlverwandtschaften" hat Goethe in seinem Roman von 1809 gesprochen. Das Reich des Eros erschien ihm als eine Art Gaskammer für chemische Experimente, in der die Liebe Suchenden wie ionisierte Atome herumschwirren und ihre zugehörigen Elektroden suchen. Hat man sich wirklich einmal gefunden, geht man nie wieder auseinander. Die Entscheidung ist definitiv, sie liegt nicht in der Freiheit der Liebenden, sie streben automatisch zueinander, so oft man sie auch trennt. Es ist ein Naturgesetz, eben eine Urgewalt.

Nachdem Camilla und Prinz Charles sich einmal gefunden hatten, waren sie in der Hand dieser Urgewalt. Keine gesellschaftliche Konvention, keine räumliche oder zeitliche Distanz, keine Versuchung durch fremde Schönheit und fremden Liebreiz kamen dagegen an, am allerwenigsten die Angst, sich in den Augen der Öffentlichkeit und bei Verwandten und Freunden lächerlich bzw. unbeliebt zu machen. Die "Wahlverwandtschaft" trieb sie immer wieder zusammen, vereinte sie in unwürdigen, oft auch höchst unbequemen und der Liebe eigentlich abträglichen Situationen.

Klatschkolumnisten ergehen sich angesichts der Affäre Camilla/Prinz Charles in romantischen Exkursen, säuseln von der "göttlichen Kraft der Liebe", die allen Widerständen zum Trotz nach "ihrem Recht" verlange und es am Ende auch durchsetze. Indes, viel mehr als nach Göttlichkeit und romantischer Gartenlaube sieht der Fall nach Chaos und Urwald aus.

So sind dergleichen Fälle früher auch von allen Völkern und allen Kulturen gesehen worden. Eros, der Gott der Liebe, ist in ihrer Perspektive zwar eine ganz frühe Konfiguration universaler Kräfte, doch er ist der Sohn des Chaos, genauer: ein Teil von ihm, seine Ursache geradezu.

Über das Chaos als das gähnend Unbestimmte können die alten Mythen nichts weiter sagen, als daß in ihm gigan­tische, unheimliche Energien walten, die sich vereinen und wieder abstoßen, die in unendlichem Ablauf Formen gebären und wieder vergehen lassen, und dies eben ist Eros. Er ist von Anfang an mit dem verbunden wor­den, war wir heute Sexualität nennen, also mit der Anziehung, die die lebendigen Leiber zueinander und zu körperli­cher Verbindung, zur Vereinigung, treibt und sie fruchtbar macht und sich vermehren läßt.

Aber man darf sich diesen Eros in der Anschauung der Alten beileibe nicht als ein freundliches Wesen vorstellen, als jenen putzigen Jungen "Amor" mit dem Pfeil, als der er später posierte. Eros in den Upanischaden oder bei Homer usw. ist ein finsterer Gott, ein Verhängnis, das einen überfällt und gegen das man nichts tun, mit dem man sich nicht ins Benehmen setzen kann, dem man buchstäblich ausgeliefert ist, der Affekt, das Pathos schlechthin.

Man lese in der Ilias, wie Homer ihn beschreibt: Eros ist es, der zur Tragödie des Trojanischen Krieges führt, der nämlich Paris und Helena füreinander entbrennen läßt, so daß sie sich über alle göttlichen und menschlichen Gesetze hinwegsetzen, sich in Raub und Ehebruch verstricken, keiner vernünftigen Regung mehr nachgeben können. Und auch noch bei Euripides, dem letzten großen Dramatiker der klassischen Epoche, erscheint Eros (in dem Drama "Iphigenie in Aulis") als antipolitische, zerstörerische, alle Gesittung hinwegschwem­mende Kraft.

Daß zwei Partner aus Liebe heiraten oder sich zusammentun, also weil sie exklusiv dem Eros gehorchen - dergleichen geriet jahrtausendelang nicht einmal in den Denkhorizont der Familien oder Staaten. Heirat und Sexualverkehr waren in erster, zweiter und auch noch dritter und vierter Linie soziale, den Clan oder die Gesellschaft als Ganzes betreffende Angelegenheiten, wurden vom Familienvorstand, vom Rat der Alten oder - bei matriarchalischen Verhältnissen - vom Rat der Mütter und Tanten festgelegt und verabredet. Ehebruch galt als fluchwürdiges Verbrechen und wurde entsprechend bitter geahndet.

Freilich, diese Zeiten sind lange vorbei, zumindest im "aufgeklärten" Westen. Aber ob man darüber jubeln soll, ist noch nicht entschieden. Goethe in den "Wahlverwandtschaften" hat nicht gejubelt, Tolstoi in der "Anna Karenina" und Flaubert in der "Madame Bovary" übrigens auch nicht. Und der Vorfahr von Prinz Charles, Edward VIII. (1894 bis 1972), der in ein ähnliches Verhängnis wie Charles hineingeriet, hat deswegen bekanntlich auf den Thron verzichtet.

Edwards überlieferte Meinung war: "Die britische Monarchie als Institution darf um der Liebe willen nicht in ein schiefes Licht gebracht werden. Gerade weil sie politisch einflußlos ist, nur noch als Institution um ihrer selbst willen anerkannt wird, darf sie das nicht. Ordnung geht vor Liebe." Von Prinz Charles hat man noch nichts dergleichen gehört. Er ist, mag sein, ein sympathischer Kerl, großer Gärtner und Architekturkritiker mit vernünftigen ökologischen Ansichten. Aber als Monarch und Repräsentant taugt er nicht, soviel steht fest.

Und Camilla Parker Bowles? Sie ist nicht zermalmt wie Ottilie in den "Wahlverwandtschaften", nicht einmal außer Gefecht gesetzt wie Anna Karenina oder Effie Briest. Ist sie deshalb eine Siegerin? Nein, in dieser Affäre gibt es nur einen einzigen Sieger: Eros, des Chaos Sohn.


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