© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Zweifel an demokratischer Gesinnung
Gedenkpolitik: CDU-Bezirksbürgermeister wegen geschichtspolitischer Rede erneut in der Kritik / Abwahlantrag von SPD, Grünen und PDS
Ekkehard Schultz

Die Berliner CDU kommt nicht zur Ruhe. Nach den Auseinandersetzungen um die Erklärung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf zum 8. Mai hat sich jetzt der Druck auf den Bezirksbürgermeister Herbert Weber (CDU) weiter erhöht. Die Jüdische Gemeinde unter Albert Meyer erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen Weber, nachdem sie eine Rede des Bürgermeisters im Internet entdeckt hat, die dieser am Volkstrauertag 2004 gehalten hatte (siehe Dokumentation auf dieser Seite). Die Rede zeige, daß Weber "jenseits jeglicher demokratischen Gesinnung" stehe. Die Forderungen nach seinem Rücktritt seien daher "legitim", sagte Meyer.

Die neuerliche Auseinandersetzung knüpft nahtlos an den Anfang des Jahres ausgetragenen Streit im Bezirk um das richtige Gedenken an. Am 19. Januar hatte die BVV Steglitz-Zehlendorf mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen, mit einer Gedenkveranstaltung am 8. Mai anläßlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes in Europa neben den Opfern des Nationalsozialismus auch der Opfer der Roten Armee zwischen Ostpreußen und Berlin zu gedenken (JF 11/05). Die Erklärung rief nicht nur die Ablehnung der SPD, Grünen und PDS hervor. Auch damals protestierte bereits die Jüdische Gemeinde unter ihrem Vorsitzenden Meyer. Insbesondere Weber geriet in die Kritik, da er den Wortlaut in wesentlichen Teilen zu verantworten hatte. Bereits nach einigen Tagen wurden daher Rücktrittsforderungen laut. Doch Weber hielt in einer Rede in der Bezirksversammlung am ursprünglichen Beschluß fest und warf seinen Kritikern vor, "Tugenddemokraten" zu sein. Mittlerweile ist der Text in Zusammenarbeit mit der SPD geändert worden. Gemeinsam mit den Grünen hielt die Partei jedoch an der Forderung nach Webers Rücktritt fest und stellte einen Abwahlantrag, da Weber "nicht mehr tragbar" sei. Über den Antrag wird am 20. April entschieden. Zur Umsetzung wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, die als unwahrscheinlich gilt.


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