© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Kampf um den richtigen Termin
Visa-Affäre: Hinter den Kulissen des Untersuchungsausschusses wird mit harten Bandagen um den Auftritt des Außenministers gerungen
Peter Freitag

Noch vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 22. Mai, bei der es für die Bundesregierung ums Ganze geht, soll nach dem Willen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bundesaußenminister Joseph Fischer (Grüne) im Visa-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages aussagen.

Der Obmann der Fraktion, Eckard von Klaeden (CDU), hat in einem Schreiben an den Ausschußvorsitzenden Hans-Peter Uhl (CSU) gefordert, die Anhörung Fischers im Zeitraum zwischen dem 14. April und dem 12. Mai vorzunehmen, da "eine Vielzahl von Akten beim Untersuchungsausschuß eingegangen ist" und außerdem permanent neue Stellungnahmen aus den Reihen der Bundesregierung in der Presse erschienen.

Für den Fall, daß sich die rot-grüne Mehrheit im Ausschuß diesem Vorhaben weiterhin widersetze, wolle die CDU/CSU-Fraktion eine Vernehmung Fischers über ein Verfahren gemäß der Bundestagsgeschäftsordnung, oder sogar mittels einer Klage beim Bundesgerichtshof erreichen, kündigte von Klaeden in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an.

Die Ausschuß-Obleute der Regierungskoalition, der ehemalige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und Jerzy Montag (Grüne), wiesen die angekündigte rauhere Vorgehensweise des CDU-Abgeordneten zurück. Ihrer Meinung nach hätten alle Mitglieder des Visa-Untersuchungsausschusses einvernehmlich die Reihenfolge der Zeugenvernehmung festgelegt, wonach zuerst rechtliche Grundlagen, Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und der Justiz erörtert werden sollten, bevor die Frage der politischen Verantwortung zu klären sei. Beide Politiker warfen der Union in diesem Zusammenhang indirekt vor, bei der vorzuziehenden Vernehmung des Außenministers in erster Linie den anlaufenden Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen vor Augen zu haben.

Klaeden argumentiert dagegen, eine baldige Aussage Fischers erspare ebenso wie die des ehemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne), möglicherweise "etliche andere Zeugenvernehmungen".

Wie der Spiegel berichtete, habe das Auswärtige Amt bereits im Juli 2004 in einem internen Schreiben eingeräumt, mit der leichtfertigen Visa-Vergabe zum Anstieg der Schleuser-Kriminalität beigetragen zu haben. So enthalte eine an den Bundesaußenminister gerichtete fünfseitige Bewertung des Kölner Prozesses gegen den Schleuser Anatoli Barg die Formulierung: "Es ist nicht zu leugnen, daß von seiten der beteiligten Behörden (Ausländerbehörde Köln, Bundesinnenministerium, Auswärtiges Amt) Fehler begangen wurden, die dem Angeklagten die Begehung seiner Straftaten erleichtert haben."

Damit widerspricht Fischers Ministerium seinen früheren Stellungnahmen, in denen ein Zusammenhang zwischen den aufgeweichten Richtlinien für die Visa-Erteilung (sogenannter "Volmer-Erlaß") und dem Anstieg der Schleuserkriminalität in Deutschland stets geleugnet worden war.

Auch von seiten früherer Untergebener droht dem Außenminister zunehmend Ungemach. Immer mehr ehemalige Diplomaten legen die berufsbedingte traditionelle Zurückhaltung ab und werfen dem grünen Amtschef am Werderschen Markt öffentlich Rufschädigung vor: "Das nationale und das internationale Ansehen des Auswärtigen Amtes hat durch die Visa-Affäre, die ja alle am Schengen-Verfahren beteiligten Staaten berührt, schon jetzt Schaden genommen", zitiert die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung den Botschafter a.D. Hans-Georg Wieck.

Eine "Riesenblamage für die deutsche Außenpolitik" seien die Vorgänge, resümiert Hagen Graf Lambsdorff, der zur Zeit des berüchtigten "Volmer-Erlasses" als deutscher Botschafter in der tschechischen Hauptstadt Prag fungierte. Sein Kollege Ernst-Jörg von Studnitz, ehemals auf dem wichtigen Botschafterposten in Moskau eingesetzt, nannte gegenüber dem Spiegel die unkontrollierte Visavergabe einen "Versuch, grüne Ideologie in praktische Politik umzusetzen".

Als die ersten Probleme dabei aufgetreten seien, habe die politische Führung des Auswärtigen Amtes "vor der Realität die Augen verschlossen", sagte Studnitz. Daß Fischer von den Vorgängen in den Konsularabteilungen der betreffenden Botschaften keine Kenntnis halten habe, ist laut Studnitz nur "schwer vorstellbar". Von Fischers pauschalem Eingeständnis eigener Verantwortung für die Fehlentwicklungen hält der Ex-Diplomat gar nichts: Wenn sich der Aussage des Ministers keine konkreten Folgen anschlössen, "ist das eine leere Geste", sagte Studnitz.


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