© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Frühlingsklischees: Allüberall Entzücken
Hurra, der Lenz ist da!
Frank Liebermann

Schon im Frühstücksfernsehen geht's los. Der Wettermann verkündet mit dümmlichem Grinsen, daß die Temperaturen ab heute über 20 Grad klettern. Und das geht den ganzen Tag so weiter. Vor dem ersten Kaffee muß ich an der S-Bahn-Station die übergewichtigen Moppelmädchen ansehen, die wetterbedingt ihre Hüftjeans mit Miniröcken vertauscht haben. Im Radio geht es weiter. Da dürfen Anrufer über ihre Frühlingsgefühle berichten.

Anschließend muß man sich "Hurra, der Lenz ist da" anhören. Und am Abend kommen die obligatorischen Bilder über die Mattscheibe: die ersten frisch geschlüpften Entchen an einem Teich und die ersten freigelassenen Busen im Münchner Garten. Kein Klischee wird ausgelassen. Der Frühling scheint ja auch so toll zu sein, daß alle möglichen Gruppen den Begriff für sich okkupieren: dritter Frühling, Frühjahrsputz und Prager Frühling. Früher war es übrigens nicht weniger schlimm. Da dachte sich Eichendorff lustige Namen für die Frühlingsmonate aus: den Märzenbecher, Wonnemonat und Junikäfer. Viel schlimmer ist die Frühlingsfrische von Meister Propper auch nicht.


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