© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Zeitschriftenkritik: Theologisches
Offenbarung oder Täuschung?
Werner Olles

Die im 35. Jahrgang erscheinende katholische Monatsschrift Theologisches befaßt sich in einem aktuellen Sonderheft mit der Thematik "Neuere Marienerscheinungen". Im Editorial beschreibt der Herausgeber David Berger die deutlichen Bedenken, sich mit Marienerscheinungen zu beschäftigen, anstatt all seine Kräfte auf die intellektuelle Auseinandersetzung mit den antichristlichen Tendenzen eines "gefährlichen Anthropozentrismus" zu verwenden, der das theozentrische Fundament des christlichen Denkens wegzuspülen droht. Andererseits nehme jedoch die Bedeutung solcher Phänomene in den letzten Jahrzehnten stetig zu, vor allem seit sich die römisch-katholische Kirche "von der Förderung einer intensiven, begeisterten und begeisternden, die katholische Theologie vom Ausbau einer soliden Marienfrömmigkeit zurückgezogen hat".

Weil gerade unter traditionsverbundenen Katholiken die Tendenz, sich bestimmten Marienerscheinungen und Privatoffenbarungen zuzuwenden, stark anstieg, warnte der Kanonist Hans Barion bereits zu Beginn der siebziger Jahre vor der Unart "naiver Anti-Progessisten", sich auf das Gebiet der "Muttergotteserscheinungen abdrängen zu lassen". Diese spezielle Frömmigkeit sei dabei, die dringend notwendige geistige Auseinandersetzung mit der als bedrückend empfundenen Glaubenskrise zu ersetzen. Inzwischen verschwimmen gar esoterische Themen und Thesen mit Visionen und Privatoffenbarungen und haben längst Eingang in die Verlagsprogramme einstmals gut katholischer Verlage gefunden. Und in Internetpublikationen wird nicht nur für Medjugorie und Heroldsbach, zwei kirchlicherseits nicht anerkannte Erscheinungsorte, sondern auch für Salzkristall-Lampen und ähnlichen Esoterik-Tand geworben.

Das vorliegende Heft befaßt sich vor diesem Hintergrund kritisch mit zweifelhaften neueren Marienerscheinungen. Zwar besagt die grundlegende theologische Lehre, daß private Offenbarungen, marianische Erscheinungen und wunderbare Heilungen, aber auch Erscheinungen Jesu Christi und mit ihnen verbundene Zeichen möglich sind, das Grundproblem ist jedoch die Frage nach ihrer Authentizität. Massensuggestion und die Kraft des Unterbewußtseins machen es oft nicht leicht, eine wahre Erscheinung von einer Illusion oder Täuschung zu unterscheiden. Dabei läßt sich die Kirche von dem Prinzip leiten, daß bei Privatoffenbarungen die übernatürliche Wirkung nicht vorausgesetzt werden darf, sondern nach strengen Regeln überprüft werden muß. Bis heute sind von der Ritenkongregation nur Lourdes, La Salette, Fatima und Guadalupe als echte marianische Erscheinungen anerkannt worden. Um jegliche Autosuggestion, Sinnestäuschung und subjektive Wahrnehmungsphänomene auszuschließen, die beispielsweise durch das Eindringen des Charismatismus in die Kirche zugenommen haben, werden inzwischen bei Privatoffenbarungen auch Psychiater und Mediziner eingeschaltet. Halluzinationen, Simulationen, Hysterie und Geltungssucht können so besser dargestellt werden, ohne sich damit verengte materialistische Denkweisen zu eigen zu machen oder vorschnell von "religiösem Wahn" zu sprechen. 

Verlag Franz Schmitt. Postfach 1831, 53708 Siegburg. Internet: www.theologisches.net 


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