© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Einigung über Mauermahnmal gescheitert
Prozeß: Eigentümerbank lehnt Vergleich ab / Hildebrandt verweigert Räumung des Grundstückes / Vertreter der Opferverbände fordern Erhalt
Ekkehard Schultz

Am vergangenen Freitag wurde in den Räumen des Berliner Landgerichts in Moabit über die Räumungsklage der Bankaktiengesellschaft Hamm (BAG) als Eigentümerin des Mauergrundstückes am ehemaligen Checkpoint Charlie gegen die Arbeitsgemeinschaft 13. August verhandelt.

Die BAG fordert von der Arbeitsgemeinschaft, die von ihrer Chefin Alexandra Hildebrandt vertreten wurde, den sofortigen Abbruch einer Installation aus 1.067 Holzkreuzen und des wiedererrichteten Mauerstreifens, welche auf dieser Fläche an die Opfer der deutschen Teilung erinnern sollen. Hildebrandt hatte dieses "Freiheitsmal" als Reaktion auf das mangelhafte Gedenken an dieses für vielen Staaten so prägende Erlebnis des 20. Jahrhunderts im Oktober 2004 auf dem bis zum 31. Dezember 2004 ordnungsgemäß gepachteten Grundstück errichten lassen. Seither ist der Ort für viele Touristen wie auch Einheimische zu einem zentralen Anlaufpunkt geworden.

In dem überfüllten Gerichtssaal versuchte die vorsitzende Richterin, Regina Johansson, mehrfach beide Parteien dazu zu bewegen, sich "gütlich zu einigen" und damit "Kosten zu sparen". Die BAG gab jedoch vor dem Gerichtstermin bereits bekannt, daß sie als Voraussetzung eines Vergleiches die Verhängung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3,5 bis vier Millionen Euro für eine Weiternutzung des Grundstückes durch die AG 13. August bis zum 30. Juni dieses Jahres verlange.

Der Anwalt Hildebrandts, Christoph Lehmann, zeigte sich nur zu einem Vergleich ohne eine solche Strafe bereit, worauf die Gegenseite allerdings nicht eingehen wollte. Eine einstweilige Verlängerung des Pachtvertrages müsse auch daher abgelehnt werden, da "nach den bisherigen Erfahrungen mit Frau Hildebrandt damit zu rechnen" sei, daß sie sich "an die Bedingungen ebensowenig halten" werde, machte der BAG-Klagevertreter Erik Bettin deutlich.

Die BAG berief sich vor Gericht wiederum auf ihre bestehenden Eigentümerrechte an dem von Hildebrandt genutzten Grundstück. Diese habe sie durch die Insolvenz des früheren Besitzers, der Checkpoint Charlie AG, im Sommer 2003 erworben. Der Pachtvertrag mit der Arbeitsgemeinschaft sei am 31. Dezember des vergangenen Jahres abgelaufen und nicht verlängert worden. Somit hätte das Grundstück zu diesem Zeitpunkt geräumt und die Installation beseitigt werden müssen, sagte Bettin.

Streit um den Wert der umstrittenen Grundstücke

Hildebrandt argumentierte dagegen, daß die BAG das Grundstück erst Monate nach dem Beginn des Pachtvertrages der Arbeitsgemeinschaft zur Verfügung gestellt habe, so daß die Errichtung der Gedenkinstallation erst im Herbst 2004 möglich gewesen sei. Dennoch habe man bereits seit zwei Jahren die Raten in voller Höhe gezahlt. Es sei damit lediglich als eine Art "Schadenersatz" zu betrachten, wenn das Grundstück zumindest noch bis zum 31. Oktober 2005 weiter genutzt werde.
Von der vorsitzenden Richterin wurde diese Argumentation jedoch als "juristischer Klimmzug" bezeichnet. Aus derartigen Mängeln erwachse der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft noch lange nicht das Recht, den Vertrag trotz dessen Auslauftermin am 31. Dezember 2004 eigenmächtig zu verlängern. Bei Einsprüchen gegen den Pachtvertrag hätte Hildebrandt weit eher Einspruch erheben und notfalls klagen müssen.

Hildebrandt verkündete vor Gericht ihr Interesse, das von der BAG zum Verkauf vorgesehene Grundstück selbst zu erwerben. Zu diesem Zweck sammle die Arbeitsgemeinschaft und das Mauermuseum bereits seit längerer Zeit Geld. Lediglich die Vorstellung der BAG, das Gelände für eine Summe von 36 Millionen Euro zu verkaufen, müsse in Anbetracht der derzeitigen Immobilienpreise als überteuert bewertet werden. Zudem bekundete Hildebrandt weiterhin ihre Auffassung von einem "moralischen Recht", das Areal weiter zu nutzen und kündigte an: "Wir räumen das Grundstück nicht."

Viele Vertreter der Opferverbände der kommunistischen Diktatur, die im Gerichtssaal saßen, bekundeten vor und nach dem Prozeß ihre Übereinstimmung mit dieser Auffassung. Ihre Kritik richtet sich dabei in erster Linie gegen das ansonsten mangelhafte Gedenken an das Unrecht und die damit verbundenen Verbrechen in der Mitte der deutschen Hauptstadt, welches die Kreuze symbolisieren. Aus diesen Gründen sprachen sie sich für einen Fortbestand des Mauermahnmals am Checkpoint Charlie aus.

Das Gericht wird am 8. April sein Urteil verkünden. Sollte es zuungunsten Hildebrandts ausfallen, wird sie ein Berufungsverfahren beim Kammergericht anstrengen.


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