© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Metternichs Erben
Meinungsfreiheit: Pressedienstleister zensiert Stellungnahme der Deutschen Burschenschaft / "Alliierter Bombenterror" auf dem Index
Marcus Schmidt

Im Kampf um die Presse- und Meinungsfreiheit hat die Deutsche Burschenschaft in ihrer langen Geschichte schon einige Erfahrungen gesammelt. Erfahrungen, auf die der studentische Dachverband jetzt unerwartet zurückgreifen muß, auch wenn sich die Zeiten etwas geändert haben: Galt es für die ersten Burschenschafter Anfang des 19. Jahrhunderts noch, sich gegen Angriffe der Staatsgewalt und des allmächtigen österreichischen Staatskanzlers Metternich zur Wehr zu setzen, so sind die Widersacher von heute zwar zwei Nummern kleiner - aber fast genauso wirkungsvoll.

Nach dem Bundestagsbeschluß vom 11. März zur Verschärfung des Versammlungsrechtes und der Ausweitung des Volksverhetzungsparagraphen wollte der Pressereferent der Deutschen Burschenschaft, Karsten Rausch, über die Firma Pressrelations GmbH eine Pressemitteilung des Verbandes an die Medien verteilen lassen. Die Firma verbreitet im Auftrag von Parteien, Unternehmen, Organisationen und Verbänden Pressemitteilungen über das Internet an Medien und Journalisten. Die Meldungen werden auf elektronischem Wege an bis zu 5.000 Nachrichtenagenturen, Redaktionen und freie Journalisten verschickt. Die Pressemitteilungen sind zudem für jeden im Internet über gängige Suchmaschinen wie Google-News zu recherchieren. Nach eigenen Angaben veröffentlicht das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf auf diesem Wege täglich mehr als 100 Pressemitteilungen und Terminankündigungen.

Doch als Karsten Rausch sich einen Tag nach der Auftragerteilung nach dem Stand der Dinge erkundigte, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß die Pressemitteilung der Deutschen Burschenschaft von der Firma nicht freigeschaltet, das heißt von ihr über das Internet an niemanden weitergegeben worden war.

Ein Anruf bei dem zuständigen Redakteur der Firma brachte schnell Klarheit: Kein Versehen, kein technischer Defekt hatte dazu geführt, daß die Mitteilung ungelesen auf den Rechnern von Pressrelations verharrte. Der verantwortliche Redakteur Jens Schmitz teilte Rausch mit, daß die Firma sich aus inhaltlichen Gründen weigere, die Meinung des Dachverbandes zum Versammlungsrecht zu verbreiten.

Schmitz teilte dem verdutzten Pressereferenten mit, daß er sich an einem Abschnitt in der Presseerklärung stoße, in dem vom "durch nichts gerechtfertigten anglo-amerikanischen Bombenterror am Ende des Krieges" die Rede ist. Diese Formulierung, teilte Schmitz mit, sei für die Firma inakzeptabel. Die Redaktion empfinde den Begriff "alliierter Bombenterror" als "ehrverletzende Äußerung gegenüber unseren Nato-Partnern, die unser Land vom Nationalsozialismus befreit haben".

Auch an dem Begriff "völkerrechtswidrige Vertreibung" stieß sich das Unternehmen. Beide Begriffe fänden auch in der rechtsradikalen Szene Verwendung. Die Firma lehne es daher ab, sie in einer von ihr verbreiteten Pressemeldung zu veröffentlichen. Der Redakteur berief sich dabei auf entsprechende Bestimmungen der Firma.

Auf seiner Internetseite weist Pressrelations.de darauf hin, daß "Stellungnahmen von politischen Extremisten oder anderen Organisationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen" nicht veröffentlicht werden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird dieser Vorbehalt unter der Überschrift "Verantwortlichkeit für Inhalte" präzisiert. Demnach verpflichtet das Unternehmen seine Kunden, es zu unterlassen, Texte über Pressrelations.de zu verbreiten, die pornographische oder jugendgefährdende Inhalte enthalten oder "zum Rassenhaß aufstacheln, Gewalt verherrlichen oder verharmlosen, den Krieg verherrlichen, für eine terroristische Vereinigung werben, zu einer Straftat auffordern, ehrverletzende Äußerungen enthalten oder sonstige rechts- und sittenwidrige Inhalte".

Von einer Zensur durch das Unternehmen in solchen Fällen ist indes nicht die Rede, allerdings behält sich die Firma ausdrücklich das Recht vor, Texte, deren Inhalte gegen die zitierten Regelungen verstoßen, "ohne vorherige Rücksprache" mit dem Kunden zu löschen.

Doch gelöscht wurde zunächst nichts, die Mitteilung wurde einfach nicht gesendet. Nach Ansicht der Deutschen Burschenschaft erfüllen die beanstandeten Passagen in der Pressemitteilung zudem überhaupt keinen der aufgeführten Tatbestände.

Weder sei etwa das Wort "Bombenterror" kriegs- oder gewaltverherrlichend, noch stachele es zum Rassenhaß auf oder sei sonstwie rechtswidrig, sagte Rausch, der selbst als Rechtsanwalt für Strafrecht und Presserecht arbeitet. Die Passagen enthielten nur Aussagen, die durch das verfassungsmäßig geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung und durch die Pressefreiheit gedeckt seien. Doch auch der Verweis auf das hohe Gut der freien Meinungsäußerung brachte die Firma und ihren zuständigen Redakteur nicht zum Einlenken.

Als letzten Versuch, die Pressemitteilung, die mit jeder Minute an Aktualität verlor und daher für die Medien immer uninteressanter wurde, doch noch zu veröffentlichen, bot Rausch der Firma sogar an, die Mitteilung mit dem Zusatz zu versenden, er alleine sei für den Inhalt verantwortlich. Doch auch das half nichts.

Wenn Begriffe wie "Bombenterror" in Pressemitteilungen auftauchten, sehe man sich die Texte noch einmal ganz genau an, sagte Schmitz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Er berichtet, daß seine Firma vor einiger Zeit bereits abgelehnt habe, eine Pressemitteilung der DVU zu verbreiten.

Die Deutsche Burschenschaft arbeitet seit Ende letzten Jahres mit Pressrelations zusammen und hat bislang fünf Pressemitteilungen über den Dienst verbreiten lassen, etwa zum Urteil über die Studiengebühren. Nun werden juristische Schritte gegen das Unternehmen geprüft, teilte Rausch mit.

Von der Ankündigung zeigte Schmitz sich allerdings relativ unbeeindruckt. "Ich glaube nicht, daß die damit Erfolg haben", sagte er der JUNGEN FREIHEIT.


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