© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Vorauseilende Zensur
von Marcus Schmidt

Eine Zensur findet nicht statt", heißt es lakonisch in Artikel fünf des Grundgesetzes. Damit ist eine staatlich verantwortete Zensur in Deutschland nahezu ausgeschlossen - von merkwürdigen Institutionen wie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften einmal abgesehen. Doch kniffelig wird es, wenn die Zensur überhaupt nicht vom Staat ausgeht. Beispielsweise, wenn eifrige Bürger dafür sorgen, daß Meinungen, die ihnen nicht genehm sind oder von denen sie annehmen, daß sie auf wenig Beifall stoßen, niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken. In solchen Fällen bleibt das Zensur-Verbot des Grundgesetzes, das sich auf den Staat bezieht, stumpf.

Ein gutes Beispiel für diese Form der vorauseilenden Zensur ist der Fall der Deutschen Burschenschaft. Deren Pressemitteilung zur Verschärfung des Versammlungsrechtes durch den Bundestag wurde nicht veröffentlicht, weil die darin enthaltene Meinung dem mit der Verbreitung beauftragten Pressedienstleister nicht in den Kram paßte. Dieser Fall ist besonders gefährlich, da er sich im verborgenen vollzieht. Während früher hauptamtliche Zensoren mit spitzer Schere auf die Jagd nach unliebsamen Meinungen in Druckerzeugnissen gegangen sind, geht es heute subtiler zu. Etwa wenn im Land mittels Appellen an die Anständigkeit der Bürger und anderer volkspädagogischen Maßnahmen ein Klima erzeugt wird, das dafür sorgt, daß immer mehr eifrige Zeitgenossen die Schere bereits im Kopf mit sich herumtragen.


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