© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

Spezifische Modernität
Goebbels auf Hochglanz poliert
Oliver Busch

Wer über den NS-Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, schreiben möchte, hat zwei Möglichkeiten: Er liefert eine konventionelle Biographie, etwa im Stile Ralf Georg Reuths, oder er wagt etwas grandios Neues und legt endlich einen Wälzer über das Propagandaministerium vor. Aber Biographien gibt es genug, und eine klassische Institutionsgeschichte fordert sehr viel Zeit. Wenn der geschichtspolitische Kalender den Publikationstakt diktiert, muß etwas anderes her.

Was also tun, um Neues zu suggerieren, wenn man nur Altes zu bieten hat? Richtig: auf die Verpackung setzen. Marketingprofis in Sachen Nationalsozialismus wie der Publizist Lutz Hachmeister und Michael Kloft, bei Spiegel TV für "History" zuständig, nennen ihr Werk über den sich nach seiner Germanistikpromotion 1921 mit seinem Titel anreden lassenden "Dr. G." deshalb flugs "Das Goebbels-Experiment". Klingt futuristisch und gruselig zugleich, ein Hauch von Jekyll & Hyde inklusive.

Worin besteht das Experiment? In der Installierung eines Ministeriums "zur Steuerung der öffentlichen Meinung". Mehr als diese Banalität wird in den einleitenden Essays des opulenten Bildbands nicht verraten. Damit ist schlecht verbrämt, daß hier "das Buch zum Goebbels-Film" bei Spiegel TV einfach noch einmal abkassieren soll. Wären da nicht die bekannten linksliberalen Macher und Beiträger des Bandes, zudem der keiner "Rechtstendenzen" verdächtige Verlag, man käme angesichts der 150 Hochglanzfotos fast auf den Verdacht, hier könnten nur Hagiographen am Werk sein. Denn von der Kraft der "Selbstenthüllung", die angeblich von den zur Bildkommentierung eingesetzten Goebbelschen Tagebuch-Zitaten ausgeht, ist wenig zu spüren. Trösten mag den Leser, daß zumindest Hachmeisters quirlig-beziehungsreiche Einleitung über des Doktors "spezifische Modernität" das unfreiwillig komische Psychogramm von Claus-Ekkehard Bärsch (Goebbels und seine "multivaginale Obsession") wohltuend neutralisiert. 

Lutz Hachmeister, Michael Kloft (Hrsg.): Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik. DVA, München 2005, 256 Seiten, gebunden, 158 Abbildungen, 29,90 Euro


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