© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

Frisch gepresst

Raubkrieger. Nicht jeder kann sich einer ähnlichen Aufmerksamkeit erfreuen wie der Historiker Götz Aly mit seinem neuesten Werk "Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus" (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2005, 445 Seiten, gebunden, 22,90 Euro). Nicht nur, daß Zeit und Welt am Erstverkaufstag das "provokante Buch" (Volker Ulrich) in den Himmel rühmten, auch die ARD-Tagesthemen rührten am gleichen Abend eifrig die Werbetrommel. Und manchem NS-Relativierer wird es warm ums Herz geworden sein, Alys Lobgesang auf den NS-Sozialstaat, die gute Versorgung im Kriege etc. zu hören. Dabei fußen seine Feststellungen auf altbekannten Thesen einer deutschen Kollektivschuld, die sich allein dadurch begründe, daß so ziemlich jeder im Deutschen Reich als Nutznießer hauptsächlich jüdischen Eigentums zum Mittäter wurde - schon allein strafrechtlich. Für diese höchst gewagte Behauptung läßt man dann auch gnädigerweise davon ab, den Deutschen vor 1933 rassischen Antisemitismus als Impuls für das Erstarken der NSDAP zu unterstellen.

Leise Großmacht. Um Weihnachten 2004 herum renommierte die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung mit einer "internationalen" Größe. Jeremy Rifkin, US-Politologe mit ökonomischem Interessenschwerpunkt, gab den Nordelbiern ein Interview. Darin eröffneten sich dem Leser "als Europäer" rosige Perspektiven. Rifkin trat überdies mit der Autorität des Beraters der Bundesregierung und der EU-Kommission auf. So gab es eigentlich keinen Grund, daran zu zweifeln, daß der "alte Kontinent" in der Lage sein werde, das überkommene neoliberale US-Weltmodell auszumustern und endlich zur Realisierung des bislang stets nur proklamierten "dritten Weges" einer gerechten Gesellschaftsordnung zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu schreiten, dessen Ziel bei Rifkin diesmal schwammig "nachhaltige Entwicklung statt unbegrenztes materielles Wachstum" heißt. Warum ausgerechnet die von Rifkin empfohlene Förderung der Einwanderung und die Festigung seiner multikulturellen Parallelgesellschaften Europa diesem Ziel näherbringen solle, leuchtete einem von den Worthülsen des US-Ökonomen nicht hypnotisierten Leserbriefschreiber schon damals nicht ein. Nach der Lektüre der Buchfassung des Interviews kann man diesem Kritiker nur zustimmen (Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2005, 464 Seiten, gebunden, 24,90 Euro).


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