© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

Polizei beschlagnahmt Untergrundzeitung
Linksextremismus: Bauanleitungen zur Herstellung von Brandsätzen veröffentlicht / Spuren der Ermittler führen zur PDS
Ekkehard Schultz

In der vergangenen Woche hat ein Sondereinsatzkommando der Polizei in einer Kleingartenanlage im Berliner Bezirk Karlshorst den Großteil der Auflage der aktuellen Ausgabe des linksextremen Magazins Radikal beschlagnahmt. Anlaß des Einsatzes von rund 100 Beamten war ein Artikel in der Zeitschrift, der detaillierte Bauanleitungen zur Herstellung von Brandsätzen enthielt.

Bei der Aktion wurden ein 44 Jahre alter Mann und sein 20jähriger Sohn aus dem Stadtbezirk Pankow verhaftet. Beide stehen im Verdacht, seit Jahren den bundesweiten Vertrieb von Radikal organisiert zu haben. Gegen beide wird wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Explosions- und Strahlungsverbrechens ermittelt. Im Kreuzberger Büro der PDS, dem Arbeitsplatz des 44jährigen, wurde weiteres belastendes Material gesichert. Nach Polizeiangaben ist der Mann bereits früher als Kontaktperson zu Linksextremisten und -terroristen in Erscheinung getreten.

Die seit den frühen achtziger Jahren in zweimonatlichem beziehungsweise vierteljährlichem Abstand erscheinende linksextreme Postille, die immer wieder durch Gewaltaufrufe gegen Bundespolitiker, Polizisten und öffentliche Institutionen auffällt und daher regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder auftaucht, wird vor allem konspirativ von Hand zu Hand verbreitet. Sie liegt aber auch in einschlägig bekannten sogenannten alternativen Buch- und Szeneläden aus. Ein Teil der Exemplare findet zudem über linke Fachschaftsräte in geisteswissenschaftlichen Seminaren einiger Universitäten seine Abnehmer.

Bereits seit 1984 ermitteln die Behörden immer wieder gegen das Blatt, das seit seiner ersten Ausgabe kein Impressum entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen für Publikationen in der Bundesrepublik aufweist. Jedes Heft enthält lediglich eine Kontaktadresse im Ausland, die zudem häufig wechselt. Im Internet waren bis in die jüngste Vergangenheit die meisten Texte und Information der jeweils aktuellen Ausgabe über Anbieter in den Niederlanden abrufbar.

Nicht erst seit der Polizeiaktion in der vergangenen Woche weisen deutliche Spuren bei den Ermittlungen gegen Radikal auf eine enge Zusammenarbeit sektiererischer linksextremer Kreise und Teile der PDS hin. Das wurde bereits im Oktober 1996 deutlich, als die Staatsanwaltschaft Berlin das ehemalige Mitglied des PDS-Parteivorstandes, Angela Marquardt, anklagte.

Mangelnde Sensibilität gegenüber Gewalttätern

Mit Wissen und Billigung der ehemaligen Bundestagsabgeordneten sollen "von unbekannten Personen" auf der von ihr betreuten Internet-Homepage des Internet-Dienstes Compuserve GmbH Auszüge aus Radikal-Artikeln im originalen Wortlaut wiedergegeben worden sein. Dabei handelte es sich unter anderem um die Artikel "Kleiner Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art" sowie "Jedes Herz eine Zeitbombe - Rekrutierungszüge / Abschiebezüge stoppen!", die sich mit bevorstehenden und bereits verübten Anschlägen auf Gleisstrecken der Bahn beschäftigten. Marquardt nahm damit nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wissentlich Anschläge auf Bahnstrecken der Bundesbahn in Kauf. Vor Gericht wurde die Klage gegen Marquardt lediglich deshalb zurückgewiesen, "da die Veröffentlichung derartiger Schriften zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht gesetzlich verboten" gewesen sei. Dennoch waren in der Begründung der Ablehnung deutliche Hinweise auf eine mangelnde Verantwortung und Sensibilität gegenüber Gewalttätern enthalten.

Zwischen Mai 1984 und Juni 1995 wurden 241 Verfahren gegen Radikal eingeleitet. In der Zeit zwischen Juni 1995 und Mai 1997 kamen noch einmal 118 Ermittlungsverfahren hinzu. Doch eine Anklageerhebung scheiterte häufig an der Frage der Zuständigkeit. So wurden die Verfahren von der Bundesanwaltschaft im Regelfall an einzelne Länder delegiert, was die Ermittlungen häufig erheblich verzögerte und dazu führte, daß viele von ihnen schließlich eingestellt wurden.

Ein bezeichnendes Licht auf die Unterstützerkreise des offiziell in Deutschland verbotenen Periodikums warfen vor einigen Jahren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Im Verlauf einer polizeilichen Razzia im Sommer 1997 waren in der Stadt 680 Exemplare einer Druckschrift beschlagnahmt worden, welche eine Reihe von Texten aus mehreren Radikal-Ausgaben im Original enthielt.

Als Verantwortlicher für diese Schrift waren Personen des Berliner "Antirepressionsbüros" angegeben, das zu diesem Zeitpunkt die gleiche Adresse wie die Kreuzberger PDS-Zentrale aufwies. Vom Bundesvorstand der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien über den Berliner Politologen Wolf-Dieter Narr bis zum Kulturschaffenden Jürgen Kuttner hatten darin rund 60 Organisationen und Einzelpersonen die Zusammenstellung verbotener Texte veröffentlicht, um gegen den Versuch der Bundesanwaltschaft zu protestieren, "die Redaktion einer Zeitschrift zur kriminellen Vereinigung zu erklären".


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