© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

Ruck, die zweite
von Peter Lattas

Darf der das? Darf der Bundespräsident sich einfach so mit konkreten Vorschlägen in die Politik einmischen, statt es seinen Vorgängern gleichzutun und im politischen Austragshäusel salbungsvolle Unverbindlichkeiten von sich zu geben? Horst Köhler darf - nur bringen wird es nicht viel. Denn das parteitaktische Hickhack, das der Bundespräsident kritisiert, hat sich längst auch seiner Grundsatzrede zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik bemächtigt. Kanzler, Stoiber und Merkel fühlen sich bestätigt, Gewerkschafter sind verschnupft, weil Köhler seine Gedanken vor Wirtschaftsvertretern entwickelte und den sozialbürokratischen Verwaltern des Stillstands zu schmeicheln vergaß, und SPD-Fraktionsvize Müller schmollt, der Präsident überschreite seine verfassungsrechtlichen und politischen Befugnisse.

Da irrt er. Im Grundgesetz steht keineswegs, daß der erste Mann im Staat sich bloß als Grüßaugust zu betätigen habe - dazu haben ihn die Parteien gemacht, die im höchsten Staatsamt vor allem einen Versorgungsposten für ausrangierte Funktionäre sehen. Kein noch so flammender Appell an die "patriotische Verantwortung" kann allerdings aus dem "Job-Gipfel" etwas anderes machen als ein parteipolitisches Geweihhakeln um die beste Ausgangsposition für die Wahlen 2006. Vorher wird sich gar nichts tun. Danach auch nicht viel. Auch wenn's mal ruckt, geht's gleich wieder zur Tagesordnung. Die diskutierende Klasse pflegt Handeln durch Reden zu simulieren. Warum sollte sie sich ausgerechnet durch eine Rede zur Tat bewegen lassen?


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