© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Nun werden alle Karten neu gemischt
Österreich: Auf einer Strategiesitzung der FPÖ wurde der rechte Parteiflügel entmachtet / Diskussion um Partei-Neugründung
Karl Steiner

Es ist die Chronologie einer Groteske. Die Gründe dafür sind mannig-faltig, eine Analyse noch nicht möglich. Auslöser waren die Gemeinderatswahlen vom 6. März in Niederösterreich, wo die FPÖ eine weitere Schlappe einstecken mußte - die Freiheitlichen stürzten von sieben Prozent auf drei ab.

Es ist Montagvormittag, der 7. März 2005. Vor einem Jahr gewann Jörg Haider die Landtagswahlen, der FPÖ-Altobmann kann so für eine weitere Legislaturperiode Kärntner Landeshauptmann bleiben. Er gibt aus diesem Anlaß eine Pressekonferenz, bei der er - nicht zum ersten Mal - eine Neugründung der Partei vorschlägt.

Um 14.30 Uhr beginnt dann eine Parteiklausur, ebenfalls in Klagenfurt. Mit zwei wichtigen Tagesordnungspunkte: zum einen die Finanzen, zum anderen die "strategische Ausrichtung" der Partei. Es treffen die wichtigsten FPÖ-Funktionäre ein, unter ihnen Parlaments-Klubobmann Herbert Scheibner, der vor den Fernsehkameras den "rechten Parteiflügel" für die Niederlage verantwortlich macht.

Es folgt die Sitzung, wichtigste Teilnehmer sind die freiheitlichen Regierungsmitglieder, unter ihnen die Parteichefin Ursula Haubner, ihr Bruder Haider, Generalsekretär Uwe Scheuch, Scheibner, Volksanwalt Ewald Stadler, der Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend, Johann Gudenus, Seniorenobmann Karl Wimleitner und der Wiener Parteiobmann Karl-Heinz Strache. Der EU-Parlamentarier Andreas Mölzer weilt hingegen in Straßburg. Zunächst wird auf Wunsch des "rechten Flügels" die katastrophale FPÖ-Finanzlage besprochen - ohne echtes Ergebnis.

Erst danach wurde es fast zehn Stunden lang turbulent. Haider beginnt Mölzer wegen eines FPÖ-kritischen Artikels in dessen Wochenzeitung Zur Zeit (9/05) zu kritisieren - dies sei "parteischädigend". Haider drohte, daß sich in der FPÖ grundlegend etwas ändern müßte, ansonsten würde er sich mit seinen Getreuen abspalten. Daraufhin mußte der Landeshauptmann die Sitzung verlassen, während seiner Abwesenheit waren es die Gebrüder Scheuch, die gegen Mölzer und die "Nationalen" wetterten: "Schmißpeppis" seien Stadler, Strache und Co.

Dennoch beruhigte sich die Situation zunächst wieder. Als Haider dann zurückkehrte, nahm dann alles seinen - vermeintlich geplanten - Lauf. Doch der "rechte Flügel" blieb nicht stur, sondern räumte freiwillig das Feld. Strache trat als FPÖ-Vize zurück, Wimleitner, Stadler und Gudenus verabschiedeten sich aus dem Parteivorstand und Mölzer gleich mit: So habe die Parteiführung genug Freiheit, sich um ihre neue Strategie zu kümmern.

Am nächsten Tag verkündet Ursula Haubner aber, der "rechte Flügel" sei entmachtet. Für die FPÖ-"Neuorientierung" werde eine "Reformgruppe" aus ihr, Vizekanzler Gorbach, Scheibner, Uwe Scheuch, dem Wiener Klubobmann Hilmar Kabas und Haider - als "bestes Vorbild und unverzichtbar" - eingesetzt. Wenig später reagierte Stadler: Er erwarte sich "nun Wahlerfolge am laufenden Band". Er wolle mit seinem Rückzug gewährleisten, daß die von Haider geforderte "'lässige, flotte und junge Partei' einschließlich Führungsmannschaft nicht dauernd befürchten muß, in Sitzungen mit unangenehmen Wahrheiten und ignorierten Ursachen im Zusammenhang mit Wahlergebnissen konfrontiert zu werden".

Haider kündigte darauf sogar eine "Neugründung" inklusive Gründungsparteitag an. Die "alte FPÖ" werde "stillgelegt", die "Karten neu gemischt". Die Parteispitze werde sich "aussuchen, mit welchen Landesgruppen und Funktionären man zusammenarbeiten will". Der Fortbestand der Koalition mit der ÖVP von Kanzler Wolfgang Schüssel werde aber "sichergestellt". Haider kündigte den "Anfang einer großen Veränderung" an. All jene, die nicht mehr in die künftige FPÖ paßten, werde man "hinter sich lassen". Namentlich erwähnte er Mölzer, für den "in der neuen FPÖ kein Platz mehr ist".

Das Parteivolk der Freiheitlichen ist nun geschockt. Nicht so die Opposition: SPÖ-Klubchef Josef Cap "lachte" über die Ankündigungen Haiders und fragte, seit wann Konkurse "Neugründungen" genannt würden. Aber Haiders abermalige Ankündigung einer Neugründung ist diesmal ernst gemeint - der "FPÖ-Neugründungsparteitag" ist nun für Anfang April geplant.

Foto: FPÖ-Kontrahenten Stadler (l.) und Haider: Endgültiger Bruch?


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