© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Die Berliner CDU knickt ein
Gedenkpolitik: Rückzug im Streit um den Beschluß zum 8. Mai / Hippe darf voraussichtlich Parteimitglied bleiben
Ronald Gläser

Der Streit zwischen der Berliner CDU-Führung mit den eigenen Lokalpolitikern in Zehlendorf-Steglitz wird wohl mit einem Unentschieden enden. Und das sieht so aus: Der aufmüpfige Bezirksverordnete und Mitinitiator der bezirklichen Gedenkfeier am 8. Mai darf in der CDU bleiben. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) soll dafür ein neuer Antrag beschlossen werden, der einem die Haare zu Berge stehen läßt.

Der Reihe nach: Letzte Woche Montag hatte sich die BVV-Fraktion der CDU einstimmig hinter den Bezirksverordneten Torsten Hippe (32) und damit gegen den Berliner CDU-Vorsitzenden Joachim Zeller gestellt. Auch der Kreisvorstand der Union war pro Hippe und contra Ausschlußverfahren.

Weil Zeller in Japan weilte, mußte sein Generalsekretär Gerhard Lawrentz diese Krise bewältigen. Was nur mäßig gelang. Auf einer Vorstandssitzung äußerte sich Lawrentz dann selber mit den Worten: "Mit dem Ausschlußverfahren werden wir wohl scheitern." Gleichwohl forderte er noch einmal die Solidarität der Kreispartei ein, die sich dem Ausschlußverfahren anschließen solle. Inzwischen hat Lawrentz endgültig den Rückzug eingeleitet.

Der Landesvorstand hat den Rückzug eingeleitet

Hippe ist zwischen die Fronten einer Auseinandersetzung geraten, bei der es um Mehrheiten im Bezirksverband geht. Verschiedene Gruppen kochen ihr politisches Süppchen und verteilen Posten unter sich. Warum sich der CDU-Landesvorstand überhaupt in diese Angelegenheit eingemischt hat, versteht inzwischen niemand mehr in der Berliner CDU.

Der ganze Vorgang hatte etwas Gespenstisches: Hat es so etwas in Deutschland schon einmal gegeben? Daß ein Parteimitglied sich gegen üble Nachrede seines Vorsitzenden per Gerichtsbeschluß wehren muß, der ihm vom Gericht auch umgehend erteilt wird? Selbst der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann und Jürgen Möllemann (FDP) wurden von der eigenen Partei noch mit mehr Respekt behandelt als Torsten Hippe.

Zeller, der auch Bezirksbürgermeister in Berlin-Mitte ist, gilt als politisches Leichtgewicht. Viele in der Partei trauen ihm eine Spitzenkandidatur gegen Klaus Wowereit bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im kommenden Jahr nicht zu. Und wahrscheinlich traut Zeller sie sich nicht einmal selbst zu, denn er hat dieses Ansinnen bereits dementiert. Jetzt ist durchaus fraglich, ob er als CDU-Landeschef überhaupt wiedergewählt wird.

Doch vor der Wahl Ende Mai liegt noch die Wahl neuer Kreisvorstände, die in diesen Tagen anläuft. Zellers innerparteiliche Verbündete befinden sich auf dem Rückzug, heißt es aus der Berliner Union. Und dann kommt noch die Gedenkfeier in Steglitz-Zehlendorf am 8. Mai. Da werden die Medien noch einmal groß über den Streit berichten. Und die CDU wird macht- und hilflos den Spott der linken Presse über sich ergehen lassen.

Daß die Christdemokraten mit wenigen Ausnahmen (wie Torsten Hippe zum Beispiel) rückgratlos sind, zeigt der neue Antrag (siehe Dokumentation auf dieser Seite), der in der BVV beschlossen werden soll. Deutsche Opfer sind explizit nicht mehr erwähnt.

Kein Wunder, denn der Antrag wurde diesmal "von außen" diktiert und im Konsens zwischen CDU, FDP, SPD und Grünen beschlossen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Norbert Kopp zeigte sich am Montag dieser Woche "hochzufrieden" und froh darüber, "daß alle Fraktionen den Konsens mittragen". Als sei ein Konsens wichtiger, als Rückgrat zu zeigen.

Zeller zeigt sich gegenüber Hippe gnädig

Es sei ein "schmerzhafter Lernprozeß" für die Berliner CDU gewesen, spottete die Grünen-Chefin in der BVV, Irmgard Franke-Dressler. Am 16. März soll der Antrag beschlossen werden. Und trotz des kleinlauten und peinlichen Einlenkens der Südwest-CDU wird es einen rot-grünen Abwahlantrag an diesem Tag geben: gegen den Bezirksbürgermeister Herbert Weber (CDU), dem die Opposition eine Rede anläßlich der Debatte um die Gedenkveranstaltungen in Steglitz-Zehlendorf zum 8. Mai vorwirft.

Angesichts der Konsenssuche wurde Joachim Zeller dann auch gegenüber Torsten Hippe gnädig. Erst erklärte er, daß er das Ausschlußverfahren weiterverfolgen wolle. Gleichzeitig aber versicherte Zeller: "Torsten Hippe ist kein Rechtsradikaler." Und schließlich erklärte er: "Wenn der Kreisverband eine Ordnungsmaßnahme gegen Hippe vornimmt, muß der Landesvorstandentscheiden, ob sein Antrag hinfällig ist."

Wie schon im Fall Hohmann war den Medien kein Argument im Kampf gegen die Feier, bei der auch deutscher Opfer gedacht werden sollte, zu gewagt. Es begann mit dem vom ZDF manipulierten Fernsehinterview. Und reichte bis zum Boulevardblatt B.Z. aus dem Hause Springer, das den Streit in einen "Nazi-Skandal" ummünzte (die JF berichtete). Keine der großen Zeitungen hat jemals gedruckt, was Hippe wirklich gesagt hat (inklusive der Fragen). Dem Mann vom Tagesspiegel, der Hippe zitiert hat mit den Worten "Wenn sich Positionen mit denen der NPD decken, dann kann ich nichts dafür", hat unterschlagen, daß er auch gesagt hat: "Ein NPDler atmet, Sie atmen, ich atme auch." Kann man von jemandem erwarten, daß er das Atmen einstellt, weil Nationaldemokraten dies auch tun?

Zeitungen aus dem Ostteil mit besonderen Verdiensten

Unter den Tageszeitungen der Hauptstadt, die den "antifaschistischen" Takt vorgegeben haben, haben sich die Berliner Zeitung und das Neue Deutschland besondere Verdienste erworben. Es ist kein Wunder, daß es sich bei beiden Publikationen um Zeitungen aus dem früheren Ostteil der Stadt handelt. Die alten antifaschistischen Abwehr-Mechanismen sind dort fünfzehn Jahre nach der Wiedervereinigung offenbar noch immer stark ausgeprägt.

Insgesamt hat das Einknicken im Streit um das Gedenken der Berliner CDU ohne jede Frage geschadet. Denn im ganzen Wirbel um den Bezirksverordneten Torsten Hippe und den umstrittenen Beschluß zum 8. Mai ist untergegangen, daß der SPD/PDS-Senat die Stadt weiter ruiniert. Das Unentschieden im innerparteilichen Machtkampf der Union ist somit eine Niederlage für die ganze Stadt.

Foto: Berlins CDU-Vorsitzender Joachim Zeller: Aus dem Streit um Hippe geht er als Verlierer hervor


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