© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Triumph des Visuellen
Bilder und Macht im 20. Jahrhundert: Eine Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig
Ekkehard Schultz

In den letzten Jahren ist das Thema "Bilder und Macht" immer wieder Gegenstand von Büchern, Filmen und Ausstellungen geworden. Mit der Frage, in welchem Maße sich Bilder als Verführungselemente in totalitären Diktaturen eignen, setzte sich Ray Müllers Dokumentation "Die Macht der Bilder" anhand des Schaffens der Regisseurin Leni Riefenstahl auseinander. Die Ausstellung "Hoffmann & Hitler", in welcher schwerpunktmäßig die Bedeutung des Führerbildes in der Weimarer Republik und im Dritten Reich behandelt wurde, verdeutlichte die vermeintlich explosive Wirkung von Hitler-Darstellungen in der heutigen Zeit. In Berlin gab es solche Proteste gegen die Präsentation im Deutschen Historischen Museum (DHM), daß letztlich komplett auf die Installation verzichtet wurde und lediglich der Katalog erhältlich war. Aber auch durch mehrere Ausstellungen des DHM zur Bedeutung von Porträts kommunistischer Politiker und Intellektueller, Parolen und Symbolen in der Geschichte der SBZ/DDR war das Thema stets präsent.

Die Präsentation "Bilder und Macht im 20. Jahrhundert" - erstellt vom Museum der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn - im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig ermöglicht jetzt erstmals einen direkten Vergleich der Mechanismen von Bildpropaganda zwischen verschiedenen Gesellschaftssystemen - Weimarer Republik, Drittes Reich, Bundesrepublik, DDR, Deutschland nach der Wiedervereinigung.

Was hat sich in der öffentlichen Darstellung von Politikern während dieser Zeit verändert? Wurden der Macht einzelner Persönlichkeiten nach den Erfahrungen des Dritten Reiches unter demokratischen Vorzeichen Grenzen gesetzt? Oder hat sich die Macht des Bildes durch den scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der modernen Medien sogar noch erweitert?

Im Vordergrund stand das "Charismatische" von Hitler

Nach der Flucht des Kaisers ins Exil und der Abdankung der Fürsten fiel der damit verbundene Verzicht auf das Pathos von großen Persönlichkeiten vielen Bürgern sehr schwer. Die neuen nationalen Feiern in der Demokratie konnten diesen Verlust nur unzureichend ausgleichen. Schon aus diesem Grund bedeutete die Reichspräsidentenwahl von 1925, die der Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg gewann, eine Kehrtwende: Die Besinnung auf den Feldherren-Kult zu Beginn des Ersten Weltkrieges nach der erfolgreichen Schlacht von Tannenberg ermöglichte die Rückkehr zum Vertrauten: Das markante Profil Hindenburgs fand nicht nur auf Wahlplakaten, sondern auch in der Produktwerbung weite Verbreitung. Es war daher nicht verwunderlich, daß auch Hindenburgs stärkste Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl von 1932, Thälmann und Hitler, einen gleichfalls ganz auf ihre Person zugeschnittenen Wahlkampf führten. Eine Chance hatten sie indes nicht, da die Mehrzahl der Bürger das Althergebrachte, das für Sicherheit und Verläßlichkeit zu bürgen schien, dem Risiko eines politisch und sozial unsicheren Experimentes vorzog.

In der Ära des Nationalsozialismus erlebte der Personenkult einen zuvor in Deutschland nicht gekannten Höhepunkt. Die Erstellung von Führerbildern wie auch der Abdruck von Hitler-Fotos erfolgte nach strengen Mustern und Vorgaben: Im Vordergrund stand stets das "Charismatische" des Führers: Entschlossenheit, Energie, Kraft, Stärke, Überlegenheit, Respekt vor der Tradition. Die Führerfigur war den Niederungen des politischen Kampfes vollkommen entrückt. Aus diesem Grund wurden allzu privat oder vertraulich wirkende Fotos aus der "Kampfzeit" später verboten. Porträtmalern, die den Führer anders sahen, drohte Ungemach: So erhielt beispielsweise der Künstler Emil Stumpp ein Berufsverbot, nachdem seine im April 1933 im Dortmunder General-Anzeiger abgedruckte Hitler-Zeichnung massive Kritik des Porträtierten hervorgerufen hatte.

In der zweiten Hälfte des Krieges ist der rapide Rückgang von Führer-Porträts und Fotos in den Medien ein deutliches Zeichen für die drohende Niederlage. Neues Fotomaterial wird kaum noch freigegeben - Aufnahmen des stark gealterten, zitternden und eine Brille tragenden Hitler werden unverzüglich gesperrt.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches sollte sich die neue demokratische Kultur in Westdeutschland durch den weitgehenden Verzicht auf "starke Persönlichkeiten" auszeichnen. Inhalte sollten im Vordergrund stehen, nicht Personen. Doch bereits in den ersten Jahren der Bundesrepublik zeigte sich, daß die Heraushebung von Personen zumindest in Wahlkampfzeiten eine erfolgreichere politische Strategie ist. So schenkte die Wählerschaft vor allem dank Adenauer der CDU das Vertrauen. Erst in den sechziger Jahren schwenkte die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Willy Brandt ebenfalls auf diese Taktik ein. Brandt präsentierte sich gezielt als deutscher Kennedy. Die verkörperte Jugendlichkeit, die sich auch in Ansteckern mit der Aufforderung: "Wählt Willy!" ausdrückte, siegte schließlich gegen die als verknöchert empfundene "alte Garde".

In der SBZ/DDR wird dagegen die nahezu kultische Verehrung von "Führerbildern" nach 1945 beibehalten. Frei nach der Devise Stalins, daß nicht das Führertum an sich schlecht sei, sondern nur die Auswahl der falschen Führer das deutsche Volk auf einen gefährlichen Irrweg geleitet hätte, werden die neuen - diesmal "richtigen" - Führer in jeder Form präsentiert. Doch die Macht der Bilder Stalins, Lenins, Ulbrichts, Grothewohls und Piecks ist längst nicht mehr so wirksam wie noch im Nationalsozialismus. Die Strafen, die auf das Bemalen und Schänden von Führerporträts stehen, ähneln dagegen dem Dritten Reich. Der Stalin-Kult wird auch nach dem Tod des Diktators fortgeführt, ein Ulbricht-Propagandastreifen muß indes wegen der Ereignisse um den 17. Juni 1953 zurückgezogen werden und verschwindet in den Archiven. In der Honecker-Ära ändert sich am Herrscherkult in der DDR kaum etwas, auch wenn Honecker im Gegensatz zu seinem Vorgänger in dieser Beziehung eher Maß hält. Sein allmählicher und dann immer rasanterer Abstieg 1988/89 besiegelte zugleich das Ende der DDR.

Gesinnungsjournalismus greift immer mehr um sich

Zu den siebziger und achtziger Jahren in der Bundesrepublik unter Helmut Schmidt und Helmut Kohl bietet die Ausstellung nur verhältnismäßig wenig Material, was einen Vergleich erschwert. Allgemein wird festgehalten, daß mit dem Siegeszug des Fernsehens die Bedeutung des Auftretens von Spitzenpolitikern in den Medien zunahm. In den sechziger Jahren wurden vor Wahlsonntagen Diskussionsrunden etabliert, später folgten die ersten Streitgespräche in Sendungen wie "Journalisten fragen - Politiker antworten". Von 1976 bis 1987 wurden regelmäßig drei Tage vor der Wahl die "Elefantenrunden" ausgestrahlt, die bis zu vier Stunden dauerten und das mit Abstand meistgesehene Ereignis des Fernsehwahlkampfes waren. Laut Befragungen soll etwa jeder zehnte Bürger seine Wahlentscheidung in direkter Abhängigkeit vom Auftreten und den Aussagen der Kandidaten getroffen haben.

Besonders intensiv widmet sich die Ausstellung den Entwicklungen der letzten Jahre, mit denen sie sich auffallend kritisch auseinandersetzt. So werden die Trends zur "Boulevardisierung" und zum "Politainment" thematisiert, die sich spätestens seit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder rasant ausgebreitet haben. Die Ausstellungsmacher attestieren eine deutliche Verflachung: "Dank digitaler Technik, einer inhaltlichen Nivellierung und der Popularität des Boulevardjournalismus gerät die Seriosität in Form einer differenzierteren Berichterstattung über politische Inhalte und politische Inszenierung immer stärker in Gefahr, ins Abseits zu geraten. Fantasie, Kreativität, aber auch der Skrupellosigkeit im Kampf um Quoten und Einnahmen sind scheinbar keine Grenzen gesetzt", so der Historiker Jürgen Reiche im Ausstellungskatalog.

Und: Statt journalistische Prinzipien wie"Unparteilichkeit", "Objektivität"", "Ausgewogenheit" und "Distanz" hochzuhalten, greife immer stärker ein "Gesinnungsjournalismus" um sich. Großen Einfluß auf die Emotionalisierung der politischen Debatte offenbart auch das moderne Nachrichtengeschäft. Gefragt sei mehr und mehr der schnell verdauliche "Junk-Food-Journalismus", der von Sensationsmache und Verkürzung geprägt ist ..." Leider wird jedoch weder im Aufsatz von Reiche noch in der Ausstellung genau thematisiert, was konkret unter "Gesinnungsjournalismus" verstanden und auf welche Ursachen er zurückgeführt wird.

Schließlich wendet sich die Ausstellung der Frage zu, welcher Umgang mit politischem Bildmaterial als Konsequenz aus den historischen und aktuellen Entwicklungen zu empfehlen ist. Da der Mensch seine Umwelt in erster Linie mit dem Sinnesorgan Auge wahrnehme, müsse es ihm zwangsläufig sehr schwerfallen, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, es sei ausreichend, sich ganz allein darauf zu verlassen. Für die jüngere Generation müsse es selbstverständlich werden, schon im Kindesalter "Bildkompetenz" ebenso früh zu erwerben wie "Sprachkompetenz", so Reiche: "Wir können alles erst durchschauen und erkennen, wenn wir Filme und Bilder lesen und verstehen lernen ... Bemühen wir uns nicht zu verstehen, werden wir zu bildlichen Analphabeten und politisch entmündigt."

Foto: Wahlplakate mit Konrad Adenauer (1957) und Walter Ulbricht (1952): Erfolgreiche Strategie

Die Ausstellung "Bilder und Macht im 20. Jahrhundert" ist bis zum 28. März im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen. Der Katalog mit 158 Seiten ist in der Ausstellung zum Preis von 19,90 Euro erhältlich.


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