© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Einzigartiger Bücherschatz
Preußische Geschichte: Berlin erwirbt die Bibliothek des Fürsten Hardenberg
Detlef Kühn

Auch Bibliotheken haben ihre Schicksale. Dies erweist sich einmal mehr am Beispiel einer der großen Privatbibliotheken in Brandenburg-Preußen, die kürzlich in staatliches Eigentum überging. Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin stellte in der vergangenen Woche mit berechtigtem Stolz ihre jüngste Erwerbung vor: Etwa 6.000 Bände der Bibliothek des preußischen Ministers (ab 1791) und Staatskanzlers (seit 1810) Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822), dessen Name untrennbar mit den großen Reformen verbunden ist, die nach den napoleonischen Kriegen den Wiederaufstieg Preußens ermöglichten.

Hardenberg hat mit der Bibliothek, die er im wesentlichen selbst zusammenstellte, sein Leben lang gearbeitet, wie zahlreiche Randbemerkungen und Anstreichungen beweisen. Alle Themen, die den Staatsmann beschäftigt haben, sind vertreten, dazu viele Periodika, die seinen aktuellen Informationsbedürfnissen dienten. Zeitlich umfaßt die Sammlung das 16. bis frühe 19. Jahrhundert. Die Hälfte der Bücher ist in deutscher Sprache geschrieben, ein Drittel französisch, der Rest lateinisch, aber auch englisch und sogar dänisch. Die dänischen stammen aus dem Besitz seiner ersten Frau Christiane Friederike Juliane von Reventlow.

Etwa 500 Titel werden noch in Rußland vermutet

Die Bibliothek, die schon einige Verluste durch Plünderungen während der französischen Besetzung Deutschlands im 19. Jahrhundert erlitt, befand sich bis 1945 in Neu-Hardenberg. Die "Trophäen-Kommissionen" der Roten Armee verbrachten 41 Bücherkisten in die Sowjetunion, aus denen nur 150 Bände von Georgien zurückgegeben wurden. Es werden noch etwa 500 Titel in Rußland vermutet; 40 Bände (10 Titel) sind bisher in der "Library for foreign Literature M.I. Rudomino" in Moskau aufgetaucht. Die Masse der Bücher Hardenbergs kam nach 1945 auf sowjetischen Befehl in die damalige Brandenburgische Landesbücherei in Potsdam, wurde dort in deren historischen Bestand eingearbeitet und 1996 an die Familie Hardenberg zurückgegeben.

Die Familie Hardenberg hatte das "Glück", daß sie schon 1944 von den Nationalsozialisten enteignet wurde, weil der damalige Besitzer von Neu-Hardenberg im Widerstand gegen Hitler aktiv war. Da nach der Wiedervereinigung zwar nationalsozialistisches, nicht aber sowjetisches Unrecht wiedergutgemacht wurde, erhielten vor nunmehr bald zehn Jahren wenigstens die Hardenbergs, die ihr Grundeigentum sonst wie andere im Zuge der Bodenreform 1946 verloren hätten, dieses zurück. Dazu gehörte unter anderem das Schloß Neu-Hardenberg.

Die Bibliothek des Staatskanzlers will die Zentral- und Landesbibliothek Berlin nach dem Ankauf nun wie früher aufstellen und durch einen neuen Sonderkatalog erschließen. An preußischer Geschichte Interessierte, aber auch allen anderen Liebhabern alter Bücher, steht damit in Berlin ein einzigartiger Bücherschatz mit dem Schwerpunkt 18. und frühes 19. Jahrhundert zur Verfügung.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen