© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Vom Hals geschafft
Prora auf Rügen: Bundestag stimmt dem Verkauf eines Teils der Anlage an einen privaten Investor zu
Thure Anders

Prora. Langsam rieseln die Schneeflocken auf den hinter den Kiefernwäldern versteckten "Koloß von Rügen". Geradezu idyllisch könnte man meinen, jetzt wo der Winter wieder in Vorpommern Einzug gehalten hat. Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Fassaden brodelt es gewaltig. Grund: Nach fast 15jährigem Streit ist jetzt ein zentraler Teil der Anlage an einen privaten Investor verkauft worden.

Rückblick: 1935 verkaufte Malte, Herr zu Putbus einen 7,5 Kilometer langen Küstenstreifen an der Schmalen Heide an die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF). Diese begann hier für ihre Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) und nach den Plänen des Kölner Architekten Clemens Klotz (1886-1969) Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhundert mit der Errichtung des "KdF-Seebades Rügen" - einem der größten Propagandabauten des Dritten Reiches. Acht Bettenhäuser mit insgesamt 20.000 Betten - Seeblick! Fertiggestellt wurden sie jedoch nur noch im Rohbau.

Mit dem Kriegsende verschwand auch Prora von den Landkarten. Alles wurde nun streng geheim. Denn die DDR begann Anfang der fünfziger Jahre mit der militärischen Nutzung des gigantischen Bauwerks, dessen südlicher Gebäuderiegel sich alleine schon auf 4,5 Kilometer Länge erstreckt. Bis 1992 wurde diese durch die Bundeswehr weitergeführt. Dann war Zapfenstreich. Erst 1994 regte sich wieder Leben. Nicht der Staat als Eigentümer, sondern Privatleute ergriffen die Initiative: die Museumsmeile Prora entstand.

Heute zählt Proras Museumsmeile mit ihren Cafés, Galerien, Ausstellungen, Museen und einer Herberge zu den Hauptattraktionen der Insel Rügen. Über 300.000 Besucher, von denen viele auch im Sommer zum Baden kommen, nehmen die derzeitigen Angebote wahr - bis jetzt. Denn am Mittwoch vergangener Woche fällte der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages eine schwerwiegende Entscheidung für die Insel Rügen.

Für 340.000 Euro soll nach dem Willen der Bundestagsabgeordneten der Verkauf von Block 3 an eine Kapitalgesellschaft erfolgen. Damit würde deren Geschäftsführer Kurt Meyer Herr über 64.000 Quadratmeter umbauten Raum werden. Bedenklich: Meyer steht vor Ort als Chef der KulturKunstStatt in direkter Konkurrenz zu anderen Betreibern der Museumsmeile Prora. Insbesondere die Betreiber des Museums Prora befürchten, daß für sie noch in diesem Jahr das Aus kommt.

Meyers den jetzigen Mietern bislang nicht bekanntes Nutzungskonzept sieht den Erhalt der konkurrierenden Einrichtungen nicht mehr vor. Statt dessen sollen Fördertöpfe angezapft werden: für ein Jugend- und Sporthotel sowie alters- und behindertengerechtes Wohnen. Die Gesamtinvestitionen sollen 40 Millionen Euro betragen. Die Hälfte dieser Summe soll jedoch der Steuerzahler übernehmen. Das würde bedeuten, daß die Bürger letztlich mit ihren Steuern für den Verkauf aufkommen und außerdem 80 bereits bestehende Arbeitsplätze erst einmal vernichtet werden. In einer Region mit über 20 Prozent Arbeitslosigkeit kein Pappenstiel! Zumal die große Mehrheit der Einrichtungen der Museumsmeile bisher nicht auf Fördermittel angewiesen war.

Der Landkreis, der sich gegen den Verkauf an die Inselbogen GmbH ausgesprochen hat, fürchtet nun um ein erneutes Fiasko beim Verkauf der sensiblen Immobilie auf Rügen. Erst im Dezember 2003 war ein Verkauf von Block 3 geplatzt. Parallelen lassen sich auch zum mißglückten Verkauf von Block 1 und Block 2 ziehen: Damals, im Oktober 2000, mußten eine Familienherberge und eine der erfolgreichsten Jugendherbergen Deutschlands schließen. Doch das Ergebnis waren keineswegs neue Arbeitsplätze. Die Investoren des "Euromar"-Projektes, die auch auf Fördertöpfe und Massentourismus setzten, scheiterten letztlich an den Vorstellungen der Gemeinde Binz und den ortsansässigen Hoteliers. Der Block steht wieder trostloser als je zuvor zum Verkauf.

Der Haushaltsausschuß schob die Entscheidung indes mehrfach auf. Eine Abordnung von Mitgliedern reiste zur Meinungsbildung am 9. Januar dieses Jahres extra nach Rügen, um sich von den Plänen des Investors im Kurhotel Binz überzeugen zu lassen. Am darauf folgenden Tag besichtigten sie andere Einrichtungen der Museumsmeile im 4,5 Kilometer langen Komplex mit fünf Stockwerken in der rekordverdächtigen Zeit von nur einer Stunde!

Was die Entscheidung letztlich bewirkte, mag dahingestellt bleiben. Verantwortung gegenüber der deutschen Geschichte war es jedoch ebensowenig wie die Sorge um das Steueraufkommen der Bürger. Und auch auf Rügen hat man darauf bereits eine Antwort: "Es geht dem Bund wohl vor allem darum, sich eine unbequeme Immobilie vom Hals zu schaffen", erklärte der Leiter des Forschungszentrums Prora, Jürgen Rostock. 

Foto: Gebäudeteile auf Prora: Die jetzigen Mieter der sogenannten Museumsmeile bangen um ihre Einrichtungen

Museum Prora, Objektstr. 3-4, 18609 Prora auf Rügen. Tel. 03 83 93 / 3 26 40. Internet: www.museum-prora.de  .


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