© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Das dänische Abenteuer
Schleswig-Holstein: Regierungsbeteiligung des SSW könnte der Minderheit schaden
Hans-Joachim von Leesen

Es ist schon eine ans Absurde grenzende Situation: Ob das wirtschaftlich marode Schleswig-Holstein von einer bürgerlichen oder einer linken Regierung in den kommenden fünf Jahren geführt wird, darüber entscheidet eine Mini-Partei, die gerade einmal 3,6 Prozent der Stimmen gewonnen hat und einen anderen Charakter hat als alle übrigen Parteien im Lande. Dieser besondere Charakter war die Ursache, sie von der Fünf-Prozent-Hürde zu befreien. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) soll die Interessen der deutschen Staatsbürger im nördlichen Schleswig-Holstein, die sich zur dänischen Volksgruppe des Landes bekennen, im Landesparlament in Kiel vertreten. Da diese Gruppe zu klein war, um jemals mehr als fünf Prozent der Stimmen im Land zu erreichen, wurde deren Partei von der Sperrklausel ausgenommen. Jetzt vertritt sie nicht nur die Interessen der dänischen Minderheit, sondern sie macht große Landespolitik, und zwar linke.

Dafür trägt sie selbst keine Verantwortung, denn ein vor acht Jahren von der rot-grünen Koalition mit Unterstützung der FDP geschaffenes neues Landeswahlgesetz, das gegen die Stimmen des SSW bei Erhaltung der meisten CDU-Abgeordneten verabschiedet wurde, zwingt sie, anders als früher im ganzen Land, also auch dort, wo es überhaupt keine Dänen gibt, mit einer Landesliste aufzutreten. Das hat dazu geführt, daß bei der jüngsten Landtagswahl von 51.901 SSW-Stimmen fast ein Drittel keinesfalls von der dänischen Minderheit kommen kann, denn sie stammen aus den Wahlkreisen südlich der Eider. Und es dürfte nicht anzunehmen sein, daß beispielsweise in Ratzeburg oder Itzehoe dänische Kultur gepflegt werden soll.

Diese fast 17.000 Wähler wollten offenbar nicht den etablierten Parteien ihre Stimme geben. Wenn sie den SSW wählten, konnten sie sicher sein, daß ihre Stimme nicht dadurch verlorenging, daß die Partei unter die Fünf-Prozent-Klausel fiel, was geschehen wäre, wenn sie PDS oder NPD gewählt hätten.

Fachleute haben bereits damals auf die Problematik der Einführung einer Landesliste für die Landtagswahlen hingewiesen und das jetzt eingetretene Ergebnis als möglich vorausgesagt. Aber entweder hatten SPD, Grüne und Liberale diese Konsequenz nicht begriffen, oder aber ihnen fehlte das Verständnis für den Charakter einer nationalen Volksgruppe. Für die Abgeordnete Anke Sporendonk und ihre Anhänger ist der SSW weit mehr als nur eine Mehrheitsbeschaffungspartei. Sie wollen in einer Zeit, in der die Minderheiten von den Gefahren der Assimilation zunehmend bedroht sind, ihre nationalen kulturellen Werte am Leben erhalten. Und da nutzt man verständlicherweise jede Möglichkeit, der eigenen Volksgruppe Vorteile zu verschaffen, Vorteile, die schnell, zumal wenn die Vertreter der anderen Parteien nicht wachsam sind, in eine Benachteiligung der deutschen Mehrheitsbevölkerung umschlagen.

Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der SSW als Bedingung für seine Duldung einer rot-grünen Landesregierung seine schulpolitischen Vorstellungen durchsetzt. Spoorendonk verlangt, daß Schleswig-Holstein die wirklich entstehenden Kosten für den Schulbetrieb der Volksgruppe tragen soll, und die liegen für dänische Schulen wesentlich höher als die für deutsche Schulen. Deutsche Schulen müssen sparen. Daher sind die Klassen größer und ist die Ausstattung bescheidener. Dänemark gibt sehr viel mehr Geld für die Schüler aus, was es sich dank der guten Wirtschaftslage auch leisten kann. Setzt der SSW seine Forderung durch, dann bedeutet es für die dänischen Schulen im nördlichen Schleswig-Holstein eine deutliche Besserstellung gegenüber den deutschen Schulen.

Dänischer Generalkonsul nimmt an Sitzungen teil

Und ein weiterer Gesichtspunkt ist bislang in der Öffentlichkeit unbeachtet geblieben: Der in Flensburg residierende dänische Generalkonsul hat das Recht, an allen Vorstandssitzungen der Vereine der dänischen Minderheit teilzunehmen. Man konnte ihn auch bereits in Fernsehbildern von Sitzungen der SSW-Leitung nach der Landtagswahl beobachten. Natürlich ist er an Weisungen seiner Regierung in Kopenhagen gebunden, und er ist zur Berichterstattung verpflichtet. Wenn also der SSW zukünftig - in welcher Form auch immer - an der Regierungsbildung beteiligt ist, dann muß man davon ausgehen, daß die dänische Regierung mit am Regierungstisch sitzt.

Die Beteiligung des SSW an der Regierung könnte innerhalb der Minderheit zu einer Zerreißprobe führen. Die Mitglieder der Volksgruppe sind keineswegs ausnahmslos links orientiert.


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