© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird . . .
Schreibreform: Der von den Kultusministern eingesetzte Rat für deutsche Rechtschreibung setzt eine Arbeitsgruppe ein
Thomas Paulwitz

Wenn man nicht mehr weiterweiß, dann gründet man 'nen Arbeitskreis. Der von der Kultusministerkonferenz eingesetzte und hauptsächlich mit Urhebern und Nutznießern der Rechtschreibreform besetzte Rat für deutsche Rechtschreibung hat nach seiner ersten Arbeitssitzung am 18. Februar sein erstes wichtiges Ergebnis vorgelegt. Nach langer, eingehender Beratung und gewissenhaftem Abwägen jeglichen Fürs und Widers entschied er sich für die einzig denkbare Lösung: die Einrichtung einer neuen Arbeitsgruppe.

Eigentlich soll der Rat bis zum 1. August die bereits reformierte Reform nochmals reformieren, um "einige der größten Schwachstellen der Reform zu bereinigen", wie es der Vorsitzende des Rechtschreibrates beschrieb, der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU). Andere der größten Schwachstellen werden also bleiben - zum Beispiel die fehlerträchtige Doppel-s-Regelung. Von den zahlreichen größeren, großen, mittelgroßen und kleineren Schwachstellen wird erst gar nicht gesprochen.

36 Sitze hat der Rat. Jetzt sollen es sieben Räte richten, die unter der Leitung Ludwig Eichingers bis zur nächsten Sitzung am 8. April Vorschläge zur Getrennt- und Zusammenschreibung erarbeiten sollen. Eichinger ist zugleich Direktor des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), das nicht nur die verkorkste Reform mitzuverantworten hat, sondern auch als Zentrum der Reformer gilt. Das Ziel der Arbeitsgruppe sei, endlich "eine diskussionsfähige Grundlage" zu schaffen, so Zehetmair. Offenbar gibt es bis jetzt noch nicht genügend Zündstoff, über den der Rat diskutieren könnte.

Wir argwöhnen, was die Arbeitsgruppe demnächst vorschlagen wird: die Einrichtung weiterer, noch kleinerer Arbeitsgruppen. So kann der Rat die Zeit bis zum 1. August 2005, wenn die neue Rechtschreibung an den Schulen alleinverbindlich sein soll, mühelos überbrücken. Immerhin trifft sich der Rat bis dahin noch dreimal; reichlich Gelegenheit, zahlreiche Expertengruppen zu gründen. Das Ergebnis ist abzusehen: Alles bleibt beim Alten - oder doch beim alten? Das wäre doch irgendwie einfacher. Sinnvoller wäre es ohnehin.

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der in Erlangen erscheinenden Zeitschrift "Deutsche Sprachwelt"


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