© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Abgehört
Haider attackiert erneut die Wiener Bundesregierung
Carl Gustaf Ströhm JR.

Einmal mehr ist Jörg Haider in aller Munde. Der Kärntner Landeshauptmann beschuldigt das Büro für interne Angelegenheiten (BIA) im Wiener Innenministerium und dessen Leiter Martin Kreutner, gezielte Abhöraktionen gegen ihn und FPÖ-Mitglieder durchgeführt zu haben. Grund für diese Vermutungen ist die Affäre um das gescheiterte EM-Stadionprojekt in Klagenfurt. Da die Angebote der verschiedenen Baufirmen, die sich um dieses Projekt beworben haben, von einer Kärntner Wochenzeitung veröffentlicht wurden, mußte das Projekt vorläufig auf Eis gelegt werden. Man beschuldigt nun Haider, bei dem Vergaberecht die Baufirma Strabag angeblich bevorzugt zu haben.

Da diese für den Bau nicht in Frage gekommen ist, sei das Projekt absichtlich von ihm gefährdet worden. Strabag-Chef Peter Haselsteiner wies diese Vorwürfe als "abstrus" und "rufschädigend" zurück. Als am 9. Februar BIA-Chef Kreutner bekanntgab, daß bei einer Abhöraktion gegen zwei freiheitliche Gendarmen auch "zufällig" ein Gespräch mit dem Kärntner Mitglied der Stadion-Vergabekommission, Franz Widrich, mitgehört wurde, war das Faß am Überlaufen. "Es wurde nun sowohl von seiten des Justizministeriums als auch dem Innenministerium bestätigt, daß keine richterliche Genehmigung dieser von Kreutner in der Öffentlichkeit zugegebenen Abhöraktion vorgelegen ist", kritisierte der Kärntner FPÖ-Parteichef Martin Strutz. Er ist der Ansicht, daß sich die Beamten des Innenministeriums immer tiefer in Widersprüche verstricken. So wurde im ORF "zunächst eine Abhöraktion zugegeben und nach einer ersten Schrecksekunde dies jedoch wieder vom Innenministerium dementiert".

Haider verglich die BIA mit dem berüchtigtem rumänischem Geheimdienst Securitate und fordert eine "faire und objektive" Untersuchung. "Verfolgungswahn" könne es wohl nicht sein, "denn das wäre ein Krankheitszustand", giftete Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) zurück. Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) meldete sich zu Wort und meint, die "verbalen Entgleisungen" Haiders würden sich von selbst richten. Haider und der FPÖ-Bürgermeister von Maria-Wörth, Adolf Stark, kündigten auf Rat des Vizekanzlers Hubert Gorbach (ebenfalls FPÖ) eine Anzeige gegen das BIA bei der Staatsanwaltschaft an.

Seit mehreren Wochen herrscht ein so rauhes Klima in der schwarz-blauen Wiener Bundesregierung. Kurz zuvor war der Auslöser die von Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) angekündigte Verkürzung der Wehrdienstzeit von acht auf sechs Monate. Die Kanzler-Partei ÖVP überraschte den Koalitionspartner FPÖ, indem sie die Verkürzung schon auf 2006 vorverlegte. Für die meisten Freiheitlichen war dies ein glatter Koalitionsbruch - und Haider kündigte "Revanchefouls" an. Um den Regierungspartner bei der Stange zu halten, wird in den kommenden Tagen ein Sicherheitsgipfel tagen. Nun will die FPÖ auch den Abhörskandal in diesen Gipfel mit einbeziehen und erhofft sich klare Antworten. Für Ministerin Prokop ein schweres Unterfangen - und zugleich die erste Bewährungsprobe in ihrer Amtszeit.

Ob die Abhöraffäre nun zum Stolperstein für die schwarz-blaue Regierung wird, bleibt abzuwarten. Doch beide Parteien sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen - bei eventuellen Neuwahlen hätte laut Umfragen derzeit Rot-Grün eine klare Mehrheit.


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