© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Die Woche
Bush in der Offensive
Fritz Schenk

George W. Bush wird unterschätzt, wenn man seine Europa-Reise als pure "Goodwill-Tour" abtäte. Der Mann aus Texas will mehr, als zerdeppertes Porzellan kitten. Seine Rede vor den Europa-Repräsentanten in Brüssel hat er mit Herzblut geschrieben. Der Mann meint, was er sagt, und denkt, wie er spricht. Seine Wiederholungen der Begriffe Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mögen zwar vielen Europäern, insbesondere den politisch korrekten Deutschen, als "Formelkram" auf die Nerven gehen, für Bush bilden sie nach wie vor die Grundlagen von Demokratie, die für ihn wiederum Grundlage für Frieden ist.

Nicht nur wir Europäer, auch die Amerikaner hatten sich ja über die Jahrzehnte des Kalten Krieges daran gewöhnt, daß die Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen deren Charta, die internationalen Pakte über Menschen- und Bürgerrechte unterschrieben und ratifiziert hatte, sich aber nicht im mindesten daran hielt. Analytische Expertisen der crème de la crème der Weltwissenschaft füllen ganze Bibliotheken mit durchaus ernstzunehmenden Begründungen darüber, warum diese und jene Ethnien oder ideologisch oder religiös gewachsenen und verfestigten Systeme sich diesen vom Westen formulierten und den Vereinten Nationen gewissermaßen oktroyierten Regeln niemals anschließen oder unterwerfen würden. US-Präsident Ronald Reagan hatte sich diesem "Sich-Abfinden" mit den vermeintlich unverrückbaren Realitäten bereits widersetzt. George W. Bush tritt in die Fußstapfen nicht nur Reagans, sondern auch seines Vaters. Er will verändern, nicht nur bewahren. Wie der japanische Angriff auf Pearl Harbor im Jahr 1941 zum Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und damit in die Weltpolitik führte - dessen Ergebnis schließlich die Gründungen der Vereinten Nationen und der Nato waren -, so wurde der 11. September 2001 zur zweiten Schnittstelle der USA als Weltmacht. Seitdem beherrschen der Terrorismus (und die Despotien als dessen Nährboden) die amerikanische Außenpolitik.

Nun gibt es gewiß hinreichend Einwände, ob die USA und insbesondere Bush und seine Administration diesen neuen Weltkrieg mit der gebotenen Klugheit, Weitsicht, dem Streben nach Koordination mit ihren Verbündeten, von Fein- oder Fingerspitzengefühl ganz zu schweigen, bestreiten. Aber wer außenpolitisch so schwach ist wie das zerfaserte Europa oder gar so unbedeutend wie das krisengeschüttelte Deutschland, der sollte sich zuerst darum bemühen, Meinungsverschiedenheiten mit dem dominanten Partner im Dialog beizulegen. Ein Kino in Goslar war jedenfalls die schlechteste Adresse, um dem Präsidenten der einzig verbliebenen Weltmacht den Marsch zu blasen. Wer in der Weltpolitik mitreden oder gar etwas bewegen will, muß mehr zu bieten haben als innenpolitische Wahlslogans.

Bush hat in Brüssel seine Karten auf den Tisch gelegt. Er hat die Europäer aufgerufen, die USA im Kampf gegen den Terrorismus und seine Wurzeln engagierter zu unterstützen. Niemandem hat er schnelle Ergebnisse versprochen. Aber daß die USA sich nicht von ihrem Ziel abbringen lassen, die Demokratie und Freiheit auf der Welt weiter voranbringen zu wollen, ist nicht nur die Sache des jetzigen Präsidenten. Das ist das Grundanliegen Amerikas. Die USA sehen nur darin die eigentliche Garantie für Frieden und Sicherheit. Bei lockeren Tischgesprächen wird es nicht bleiben.


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