© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Finger weg von Matrosen
Oper: „Madame Butterly“
Werner Veith

Manche Ehe wandelt sich im Laufe der Zeit - nach den Fluten der Liebe - zu einer wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft. Den umgekehrten Weg von „Geld gegen Sex“ zu großen Gefühlen und zur Liebe skizziert der italienische Komponist Giacomo Puccini (1858-1924) im Musikdrama „Madame Butterfly - eine japanische Tragödie“.

Nagasaki im Jahr 1900: Lokale Heiratsvermittler verkuppeln Ausländer mit Japanerinnen zu weitgehend unverbindlichen Ehen auf Zeit. Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton heiratet die japanische Geisha Butterfly. Der japanische Chor der Freundinnen offenbart die Motive: „Hübsch ist er nicht … Er ist Gold wert … Das gibt eine Scheidung“, prophezeien sie in ihren japanisch-italienischen Gesängen. Pinkerton kehrt zurück nach Amerika, Madame Butterfly bleibt in Japan (die Ehen wurden damals von den USA nicht anerkannt) und gebärt einen Sohn. Madame Butterfly steigert sich in ihre Liebe hinein, sieht sich als Amerikanerin, wechselt zum Christentum und wartet jahrelang. Nicht einmal einen Briefkontakt gibt es.

Die Nürnberger Aufführung versetzt die Handlung in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Der wenig aufdringliche Bühnenhintergrund zeigt Fotos von der durch eine US-Atombombe zerstörten Stadt Hiroshima und vom traditionellen Japan. Im zweiten Akt tauchen 13 kleine Freiheitsstatuen auf und verschwinden ganz langsam wieder. Wie auf den Dollarscheinen heißt es in der angedeuteten Bühnenkuppel: „In God We Trust“ und „E pluribus unum“ (aus vielen eins). Das verweist auf die Gründung der USA, als sich 13 Kolonien zusammenschlossen und die herrschende Klasse noch Latein (Respekt, Respekt) verstand.

Die Regisseurin Kerstin Pöhler verstärkt zwar die antiamerikanische Folklore, die bereits im Operntext angelegt ist („Auf der ganzen Welt reist der Yankee umher, amüsiert sich, macht Geschäfte und scheut kein Risiko“), indem sie uns tumbe Amerikaner mit Coca-Cola, Kühlschrank und Militärspind präsentiert. Den Sinn des Werkes stellt sie jedoch nicht auf den Kopf, was heutzutage ja schon viel wert ist. Im Gegenteil. Bunte Kimonos und weiße Marineuniformen treffen aufeinander, der Zusammenstoß der Kulturen erfolgt im Wohnzimmer.

Das Drama nimmt seinen Lauf, als Benjamin Franklin Pinkerton nach drei Jahren mit einer neuen amerikanischen Frau in Nagasaki auftaucht. Er möchte seinen Sohn mitnehmen und Madame Butterfly finanziell entschädigen. Die Musik hebt an, verscheucht die schläfrigsüßen Träumereien des Orchesters unter Leitung von Philipp Pointner und gewinnt dramatische Höhen. „In Ehre sterben, wenn man nicht länger ehrenvoll leben kann“ singt Madame Butterfly ergreifend, bevor ihr Leben im Harakiri endet.

Ob die Sopranistin Barbara Dobrzanska als Madame Butterfly und Selbstmörderin glaubwürdig agierte, ist zweifelhaft. In der A-Premiere trat Dobrzanska resolut und mit kräftiger Stimme auf. Ihr dramatischer Sopran versprühte Kühle. Eine emanzipierte Frau wählt wohl nicht den Freitod, wenn sich der Ehemann seit Jahren nicht mehr meldet. Mit ihrem Temperament könnte Dobrzanska die chinesische Prinzessin Turandot spielen, die sich an Hinrichtungen ergötzt.

Überzeugender war die Titelrolle in der B-Premiere. Elena Nebera verkörperte eine sanftere, naive Madame Butterfly. Ihr zarter lyrischer Sopran verschmolz mit der Rolle, ihr nimmt man einen Selbstmord leichter ab.

Die nächsten Aufführungen im Staatstheater Nürnberg, Richard-Wagner-Platz 2-10, finden statt am 25. Februar, 13., 23. und 27. März. Kartentelefon: 0 18 01 / 34 42 76


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