© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

In die Knie zwingen
Nordkorea: Das kommunistische Regime von Kim Jong Il will mit dem angeblichen Besitz von Atomwaffen die USA provozieren
Alexander Griesbach

Die Behauptung Nordkoreas, im Besitz von Atomwaffen zu sein, kommt für die USA zu einem ungünstigen Augenblick. Washington steht derzeit unter erheblichem Zugzwang. Wenn sich die Regierung von George W. Bush gegenüber dem Iran, der noch keine Atomwaffen besitzt, militärische Schläge vorbehält, stünden diese gegenüber einer der finstersten Diktaturen der Welt erst recht zur Diskussion. Nordkoreas bizarr-brutaler Diktator Kim Jong Il weiß, daß sein bankrottes und rohstoffarmes Land für die USA ökonomisch uninteressant ist - dafür provoziert der 63jährige die Supermacht mit schöner Regelmäßigkeit. Dabei spielt die Atomwaffenkarte mehr und mehr eine zentrale Rolle. Vor zwei Jahren kündigte Pjöngjang den Atomwaffensperrvertrag, und im Oktober 2002 gestand es ein, ein Programm zur Anreicherung von Uran gestartet zu haben. "Die aktuelle Realität beweist, daß nur eine mächtige Stärke Gerechtigkeit und Wahrheit schützen kann", ließ das Regime am Donnerstag letzter Woche verlauten.

"Wir haben Nuklearwaffen zur Selbstverteidigung hergestellt, um der immer unverhohleneren Politik der Bush-Regierung etwas entgegenzusetzen, die die Demokratische Volksrepublik Korea isolieren und in die Knie zwingen will", erklärte ein nordkoreanischer Außenamtssprecher in Pjöngjang. Gleichzeitig verlautbarte Pjöngjang, sich aus den Abrüstungsgesprächen zurückziehen zu wollen. In einer Sechser-Runde versuchten die USA, Rußland, Japan, China und Südkorea seit August 2003 bislang vergeblich, die Regierung in Pjöngjang zur Einstellung ihres Atomprogramms zu bewegen.

Nun sollen die USA dazu gebracht werden, einen Nichtangriffspakt abzuschließen und Wirtschaftshilfe zu gewähren. Bush hatte nach Bekanntwerden des Programms zur Anreicherung von Plutonium, das internationale Verträge verletzte, die unter der Regierung Clinton vereinbarten Hilfslieferungen im Jahre 2002 aufgekündigt. Pjöngjang nahm im Gegenzug die Produktion von waffenfähigem Plutonium wieder auf.

Auch wenn man Nordkoreas Atomwaffenbesitz - wie australische und südkoreanische Dienste meinen - für einen "Bluff" hält: Die USA haben sich im Umgang mit Nordkorea - zieht man den Irak oder Iran als Vergleiche heran - auffällig zurückhaltend gegeben. "Allen ist klar, daß es keine Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel geben darf", erklärte US-Außenministerin Condoleezza Rice. Dessenungeachtet bestehe aber keine Absicht der USA, "Nordkorea zu besetzen oder anzugreifen".

CDU-Außenpolitiker Volker Rühe (CDU) sieht in erster Linie China in der Pflicht, auf die Atomwaffenbedrohung zu reagieren. Die Sicherheit Nordkoreas sei "am besten gewahrt, wenn es sich öffnet und seine Bürger an den wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklungen in der Region Anteil nehmen läßt". Das dürfte vorerst nichts anderes als Wunschdenken bleiben. Derzeit deutet nichts auf einen Bewußtseinswandel in Pjöngjang hin.


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