© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Abrechnung
Ein neues Haider-Buch verärgert Kanzler Schüssel
Carl Gustaf Ströhm jr.

Wieder einmal ist der Kärtner Landeshauptmann in aller Munde. Anlaß ist das Ende Januar erschienene Buch "Ein Streitgespräch mit Jörg Haider". Zwei Tage dauerte der Disput mit Alfred Worm, in dem Haider das "falsche Bild" rund um den Bruch der ersten schwarz-blauen Regierung im Herbst 2002 korrigieren will. Vor allem ist es eine Abrechnung mit Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Er wolle ihm bei dieser Gelegenheit "einiges ausrichten". Bei der Buchpräsentation in Wien erklärte der Ex-FPÖ-Chef, nicht er oder die FPÖ habe die Koalition "in die Luft gesprengt", sondern allein Schüssel.

Haider verrät im Buch, warum er im Februar 2000 mit der ÖVP die Koalition einging: Schüssels Karriere sei 1999 nach der Wahlniederlage der ÖVP (nur drittstärkste Partei) "am Ende" gewesen. "Ich habe damals die ganz persönliche Entscheidung getroffen, der schwächeren ÖVP als regierungserfahrener Partei die Regierungsbeteiligung und den Kanzlerposten zu ermöglichen."

Schüssel habe ihm dafür 2002 mit dem Bruch von Schwarz-Blau gedankt und "die Chance wahrgenommen, die FPÖ zu zerstören", so Haider. "Ich würde nicht einen Menschen, dem ich das Überleben verdanke, vom Felsen in den Abgrund stürzen."

Außerdem habe der Kanzler mit den vorgezogenen Neuwahlen einen Sieg auf Kosten der FPÖ errungen und sich so zum "Liebkind in Europa" gemacht. Auch die legendäre Delegiertenversammlung in Knittelfeld, die die FPÖ in zwei Lager spaltete, sei nur ein Vorwand für den Koalitionsbruch gewesen.

Heute sei ihm klar, daß die ÖVP, die FPÖ-Minister Susanne Riess-Passer und Karl-Heinz Grasser sowie FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler "den Bruch der Koalition schon vor Knittelfeld entschieden haben". Den Plan habe Schüssel ausgeheckt - und dies sei die "bitterste Erfahrung" in seinem Leben gewesen. Schüssel werde irgendwann "die Rechnung für diesen Verrat zu zahlen haben".

Auch die Scheinverhandlungen Schüssels mit der SPÖ nach den Wahlen vom Oktober 1999 wurden von Haider in dem Buchinterview bestätigt. Tatsache sei, daß Schüssel schon wenige Tage nach der Wahl die Zusage der FPÖ hatte, als drittstärkste Partei den Kanzler zu stellen. Haider deutete außerdem an, eine neue Partei zu gründen, falls die FPÖ bei den kommenden Nationalratswahlen 2006 wieder so schlecht (unter elf Prozent) abschneide.

Noch erstaunlicher als Haiders Aussagen ist aber die Tatsache, daß dieses Streitgespräch überhaupt stattgefunden hat, obwohl der Kärtner Landeshauptmann und Alfred Worm, Chefredakteur des Magazins News, bislang erbitterte Feinde waren. Dreiundsiebzig Mal verklagte Haider Worm, unter anderem weil dieser ihn in seinen News-Kolumnen als "rechtsextrem" und "undemokratisch" bezeichnete. Das Gespräch kam auf Vermittlung von Haiders Frau Claudia zustande.

News-Chef Worm betonte bei der Buchpräsentation, daß in diesem "Streitgespräch" auch für ihn als "politischer Insider" etwas neu gewesen sei: Haiders Sichtweise von der Regierungsbildung 2000 und des Regierungsbruchs zwei Jahre später. Mit diesem Buch hat Haider ein deutliches Lebenszeichen von sich gegeben. Auch die Landtagswahlen 2004 in Kärnten (42,5 Prozent) haben gezeigt, daß ein totgeglaubter Haider vor allem Wunschdenken seiner Gegner ist. Trotzdem fragen sich viele, ob jener Haider von 2000 auch der von heute ist.


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