© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

"Abwehr der sprachlichen Monokultur"
Frankreich: Eine deutsch-französische Initiative wirbt für das Erlernen der Sprache des Nachbarn / Probleme im Elsaß
Thomas Paulwitz

Parlez-vous allemand"? Eine Studentin, die nach Paris gefahren war, um Gedichte vorzutragen, die sie zuvor mit Kommilitoninnen aus dem Spanischen ins Deutsche übertragen hatte, berichtet mir nach ihrer Rückkehr, daß die Zuhörer überrascht gewesen seien. Wie schön doch die deutsche Sprache klingen könne, habe es geheißen, erzählt sie. Das Deutsche höre sich wider Erwarten gar nicht so abgehackt an, sondern habe eine schöne Melodie, so die erfreuten Hörer.

Derartige Erfahrungen sind bezeichnend. Trotz aller Bekundungen der deutsch-französischen Freundschaft stehen sich beide Nationen sprachlich immer noch sehr fern. Die Vorurteile, wie sie erlebt werden, erwachsen nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Nichtwissen und Nichtkennen. Während die führenden Bildungspolitiker in Deutschland vor allem die Ausbreitung der englischen Sprache bis in den Kindergarten hinein begünstigen, ist seit Jahren die Zahl der französischen Schüler rückläufig, die sich für das Erlernen des Deutschen entscheiden. Im Jahr 2000 lernten zwanzig Prozent der Schüler Deutsch. Heute sind es nur noch siebzehn Prozent.

Die mangelnde Sprachloyalität deutscher Führungskräfte, die auf internationalen Tagungen auch ohne Not sofort ins Englische wechseln, trägt ein weiteres dazu bei, daß es für junge Franzosen als kaum erstrebenswert und wenig prestigeträchtig gilt, Deutsch zu lernen. Für einen großangelegten Werbefeldzug für Deutsch steht den Goethe-Instituten kaum Geld zur Verfügung. Eine Sprache, die von den politischen und wirtschaftlichen Eliten ihres Landes nicht geliebt, geachtet, gefördert wird, übt keine große Anziehungskraft aus.

Um so begrüßenswerter ist die neue Werbeoffensive des französischen Bildungsministeriums für das Erlernen der deutschen Sprache. Anläßlich des Deutsch-Französischen Tags am 22. Januar wurden an den französischen Schulen eine Million Faltblätter mit dem Titel "L'allemand, passeport pour l'Europe" ("Deutsch - ein Paß für Europa") verteilt. Ende Oktober des vergangenen Jahres hatte der deutsch-französische Ministerrat eine Strategie zur Förderung der Partnersprache beschlossen. Zielgruppen sind in Frankreich die Schüler vor ihrem Eintritt in das Collège und in Deutschland die Viertkläßler, die vor der Wahl ihrer zweiten Fremdsprache stehen.

Bedarf an Deutsch ist weit größer als das Angebot

An das deutsche Volkstum im Elsaß wird dabei nicht gedacht. Dort müssen private Initiativen für die Erhaltung der deutschen Sprache kämpfen, allen voran der elsässische Elternverein ABCM-Zweisprachigkeit. Er unterhält zweisprachige Schulen, in denen der Lehrstoff jeweils zur Hälfte auf deutsch und auf französisch unterrichtet wird.

Unter dem Konkurrenzdruck des Elternvereins hat mittlerweile sogar die staatliche Schulverwaltung eine Reihe zweisprachiger Klassen eingerichtet. Immerhin acht Prozent der Schüler im Elsaß haben jetzt die Möglichkeit, mit beiden Sprachen aufzuwachsen. Der Bedarf ist aber weit größer als das Angebot. Der deutsche Förderverein für die Zweisprachigkeit im Elsaß und im Moseldepartement unterstützt die elsässische Elterninitiative und sammelt dafür Spenden.

Aus der französischen Broschüre "Deutsch - ein Paß für Europa", die zusammen mit dem Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) entwickelt wurde, erfährt man, daß Deutsch mit 24 Prozent Muttersprachlern die am meisten genutzte Sprache in Europa ist, vor je 16 Prozent französischen, englischen und italienischen Muttersprachlern. Das Hauptargument für das Erlernen der deutschen Sprache ist aber kein kulturelles, sondern ein rein rational-wirtschaftliches: Deutschland und Frankreich seien füreinander die wichtigsten Handelspartner. Das eröffne entsprechende Karrieremöglichkeiten, da wegen der wachsenden wirtschaftlichen Verflechtung der Bedarf an sprachkundigen Nachwuchskräften steige.

Diese Argumentation folgt dem Motto des diesjährigen Deutsch-Französischen Tages: "Deutsch und Französisch: Schlüssel für Beruf und Karriere in Europa." In dasselbe Horn stößt auch die frischgebackene Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Johanna Wanka: "Ich halte es für außerordentlich wichtig, jungen Menschen, die vor der Wahl einer Fremdsprache stehen, die konkreten Perspektiven auf dem deutsch-französischen bzw. europäischen Arbeitsmarkt aufzuzeigen." In Deutschland sollen sich demzufolge bereits Viertkläßler Gedanken um ihren künftigen Arbeitsplatz machen und sich aus diesem Grund für Französisch entscheiden.

Der Generalsekretär des deutsch-französischen Jugendwerks, Max Claudet, erklärte: "Wer als Mittelständler in Frankreich nicht auf den deutschen Markt verzichten und damit Arbeitsplätze gefährden will, benötigt Mitarbeiter, die seine Produkte in Deutschland verkaufen können." Es heißt, daß mehr als 2.700 deutsche Unternehmen in Frankreich und rund 1.600 französische Firmen in Deutschland Mitarbeiter suchen, die neben der englischen auch die deutsche oder französische Sprache beherrschen.

Deutschland und Frankreich hätten bei der "Abwehr der sprachlichen Monokultur" eine besondere Verantwortung, meinte die Präsidentin des Goethe-Institutes, Jutta Limbach (SPD), auf einer Veranstaltung zum Deutsch-Französischen Tag. Es bleibt zu hoffen, daß der deutsch-französische Sprachaustausch, wenn er erfolgreich sein wird, nicht auf die ökonomische Wahrnehmung beschränkt bleibt. Und, wer weiß, vielleicht können die Franzosen, die den ins Deutsche übertragenen Gedichten lauschten, sich eines Tages nicht nur am Klang der deutschen Sprache begeistern, sondern auch die Worte verstehen.

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden Zeitung "Deutsche Sprachwelt", Postfach 1449, 91004 Erlangen. Internet: www.deutsche-sprachwelt.de 

Adresse: Deutscher Förderverein für die Zweisprachigkeit im Elsaß, Schillingstraße 26, 44139 Dortmund

Weitere Informationen im Internet unter: www.kleine-gallier.de/d/Links/links.html 


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