© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Carstensen finden alle nett
Schleswig-Holstein: Der CDU nutzt die schlechte Stimmung im Lande wenig / NPD liegt in Umfragen bei 2,5 Prozent
Hans-Joachim von Leesen

Die wirtschaftliche und finanzielle Lage Schleswig-Holsteins war noch nie so miserabel wie zum Beginn des Jahres 2005: Die Schulden liegen bei 21 Milliarden Euro - ein Rekord. Die Zinsen verschlingen im Jahr 940 Millionen Euro. Über 146.000 der 2,8 Millionen Schleswig-Holsteiner sind ohne Arbeit.

Nach neuesten Befragungen nennen zwei Drittel die Eindämmung der Arbeitslosigkeit als das wichtigste Problem. Ein Drittel ist der Ansicht, die Mängel der Schul- und Bildungspolitik müßten zunächst angepackt werden. Nur 13 Prozent machen sich über die Wirtschaftslage Sorge, und gar nur acht Prozent meinen, daß es an der Zeit sei, endlich den Landeshaushalt zu sanieren. Jeder Zweite ist mit der Arbeit der Regierung unzufrieden. Trotzdem wünschen 50 Prozent aller Befragten weiterhin eine von der SPD geführte Landesregierung, wie sie seit über 17 Jahren regiert. Es ist schon eine mehr als seltsame Entschuldigung, wenn Ministerpräsidentin Heide Simonis erklärt, die rot-grüne Regierung habe die Hälfte der Schulden bereits von der CDU-Vorgängerregierung übernommen.

Aktuelle Umfragen lassen für die SPD 40 Prozent der Stimmen erwarten, für die CDU nur 37, das sind weniger als vor drei Wochen. Auf die Grünen entfallen acht, auf die FDP sieben und auf den SSW drei Prozent, die NPD kommt auf 2,5 Prozent.

Dabei gibt es einige Schwerpunkte der Landespolitik, in denen die beiden Lager sich deutlich unterscheiden. Eine Alternative wäre also gegeben. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Peter Harry Carstensen will im Landeshaushalt kräftig sparen, indem sie zehn Jahre lang jeweils 50 Millionen Euro weniger auszugeben gedenkt. Das bedeutet kräftigen Personalabbau, Einschränkung von allerlei Firlefanz, den die SPD im Laufe der Jahre an ihren Regierungsapparat angeheftet hat, wie Sonderbeauftragte und dergleichen. Davon will nun die SPD nichts wissen. Simonis ist sogar damit hervorgetreten, daß sie der Bundes-SPD dringend rät, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, die Besteuerung von Erbschaften wesentlich niedriger als bisher anzusetzen und weitere Maßnahmen zur Umverteilung vorzusehen. Ihre bisherigen Versprechungen, Landesmittel einzusparen, waren hohl.

Durch Entbürokratisierung und Leistungsanreize möchte die CDU bis 2014 die Steuereinnahmen von fünf auf 6,5 Milliarden Euro steigern, wobei es höchst zweifelhaft ist, ob das angesichts der Gesamtwirtschaftslage in der Bundesrepublik möglich ist. Man verweist aber auf Bayern und Baden-Württemberg als Vorbilder.

Die Schulpolitik beider Lager unterscheidet sich grundsätzlich. Rot-Grün hat als mittelfristiges Ziel die Einheitsschule: Alle sollen bis zur 10. Klasse dieselbe Schule besuchen. Dahinter steckt die linke Ideologie, daß man nahezu alle Kinder mit Hilfe der richtigen Unterrichtsmethoden und -mittel zu Höchstleistungen führen kann. Wer heute nicht bis zum Abitur kommt, ist in ihren Augen allein ein Opfer der Verhältnisse. CDU und FDP dagegen wollen das gegliederte Schulsystem nicht nur erhalten, sondern ausbauen.

Trotz deutlicher Unterschiede in der angestrebten Politik der beiden Lager schlägt das Wählerpendel immer weiter zugunsten von Rot-Grün aus. Das liegt einzig und allein an der von vielen geschätzten Persönlichkeit der Ministerpräsidentin Simonis. Sie spricht ungeschminkt und ungedrechselt. Dabei erweckt sie durchaus den Eindruck, führungsstark und gelegentlich eine originelle Denkerin zu sein.

Das alles findet man beim sympathischen Spitzenkandidaten der CDU nur in Ansätzen. Alle finden ihn nett - auch seine sozialdemokratische Konkurrentin. Aber offenbar genügt das nicht. Warum er an die Spitze der Kandidatenliste gerückt ist, liegt auf der Hand: Die CDU verfügt über keine profilierte, aussagekräftige und durchsetzungsfähige Persönlichkeit. Die Kreisfürsten streiten sich untereinander und gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten.

Und so dürfte denn im Lande alles beim alten bleiben - es sei denn, es gelingt der NPD, in den Landtag einzuziehen. Dann könnte eine Lage eintreten, daß nur noch die Große Koalition das Land regierbar macht. Ob die über eine nur schwache Organisation im Lande verfügende NPD dazu in der Lage ist, ist fraglich. Bislang lag sie bei Umfragen bei 2,5 Prozent, weitere fünf Prozent der Wähler erklärten, sie seien geneigt, ihre Stimme der NPD zu geben. Die NPD-Demonstration am vergangenen Sonnabend in Kiel hat landesweit Aufsehen erregt und veranlaßte Carstensen und Simonis, Seite an Seite an einer Gegendemonstration teilzunehmen. So bietet das Abschneiden der NPD, die als einzige Rechtspartei kandidiert, den einzigen Spannungsfaktor der Wahl am 20. Februar.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen