© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

CD: Jazz
Pulsierendes
Michael Wiesberg

Von vier neuen CDs aus der Connoisseur-Serie des legendären New Yorker Labels Blue Note soll die Rede sein. Die Alben dieser Serie sind limitiert, häufig mit "Bonustracks" oder alternativen Einspielungen versehen, und im 24-Bit-Verfahren aufgenommen. Hier finden sich viele Juwelen aus der großen Blue-Note-Ära von etwa 1955 bis 1968 wieder.

Der 1937 in Port au Prince auf Haiti geborene Pianist Andrew Hill nahm am 11. Oktober 1968 das Quintett-Album "Dance With Death" (Blue Note 66741/EMI) zusammen mit Charles Tolliver (Trompete), Joe Farrell (Tenorsaxophon), Victor Sproles (Baß) und Billy Higgins (Schlagzeug) auf. Neben Herbie Hancock und McCoy Tyner gehört Hill zweifelsohne zu den vitalsten und interessantesten Pianisten der sechziger Jahre. Speziell die Improvisationen von Farrell und Tolliver zeugen von Kreativität und Vitalität. Dieses überaus harmonische Album überzeugt durch überraschende Wendungen und Rhythmen, die von karibisch inspirierten Passagen bis hin zur Abstraktion reichen. Andrew Hill glänzt als Klangmagier, der ständig nach neuen Tonkombinationen sucht. Dies geschieht in Verbindung mit einem Rhythmusgespann, das eine ungeheure Dynamik zu entfachen in der Lage ist.

Für das Album "Of Love And Peace" (1966, Blue Note 66747/EMI) zeichnet der 1978 verstorbene Organist Larry Young verantwortlich, den sein Kollege Jack McDuff einmal "Coltrane der Orgel" genannt hat. McDuff spielte auf die Anlehnung Youngs an das modale Konzept von John Coltrane an. Young war es, der die Hammond-Orgel aus dem Rhythm & Blues-Kontext für den modalen und freitonalen Jazz erschlossen hat. Das Zusammenspiel mit Eddie Gale (Trompete), James Spaulding (Flöte), Herbert Morgan (Tenorsaxophon) sowie den beiden Schlagzeugern Wilson Moorman III und Jerry Thomas auf dem Album "Of Love And Peace" bezeichnete der Autodidakt Young als "spirituelle Erfahrung". Vier Stücke sind zu hören, zwischen sechs und vierzehn Minuten lang. Insbesondere im Zusammenspiel mit Eddie Gale entwickeln sich spannungsreiche Interaktionen, die sich durch hohe Improvisierkunst auszeichnen. Dieses Album hat auch nach fast vierzig Jahren nichts von seiner Faszination verloren hat.

Gleiches gilt auch für das Album "Now!" (Blue Note 66742/EMI) des 1941 geborenen Vibraphonisten Bobby Hutcherson, das Ende 1969 eingespielt wurde. Hutcherson gehörte in den sechziger Jahren neben Milt Jackson aufgrund seines vibrierenden, klar strukturierten Spiels zu den herausragenden Vibraphonisten. Von den Alben, die Hutcherson für Blue Note einspielte, zeichnet sich "Now!" vor allem durch die Verbindung von Gesang mit freierem Jazz inklusive kraftvollen Congas aus. Hutcherson, ein Vertreter perkussiver Mallet Music, hat die Arbeit an diesem Album hörbar Spaß gemacht - dieses entfaltet eine derart pulsierende Energie, wie sie sonst kaum zu hören ist.

Der stark bluesbetonte Pianist und Komponist Horace Silver gehörte zu den produktivsten Musikern in der Hochphase des Blue-Note-Labels und zu den treibenden Kräften des Hardbop. Mit seinem Stück "Song for my Father" habe Silver, so Ekkehard Jost, "die inoffizielle Hymne des frühen Hardbop geschaffen".

Die Trilogie "The United States of Mind" (Blue Note 66745/EMI), die Aufnahmen aus den Jahren 1970-72 umfaßt, spiegelt den Versuch Silvers wider, der sonst kleinere Formationen bevorzugte, mit größeren Besetzungen neue Wege zu gehen. Der Gesang steht hier gleichberechtigt neben den Instrumenten. Vokalist ist in der Regel Andy Bey, Silver selbst brilliert wie immer am E-Piano mit einem variationsreichen Spiel, das von Soul-Jazz über Hardbop bis zum Gospel reicht.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen