© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

Ein riskanter Supervogel
Luftfahrt: Der neue A 380 soll die Spitzenposition von Airbus gegenüber Boeing sichern / Wachstum des Flugverkehrs nötig
Alexander Griesbach

An Vorschußlorbeeren mangelt es dem neuen Riesenpassagierflugzeug Airbus A 380 in keiner Weise. Da ist von einer "neuen Epoche der Weltluftfahrt" die Rede, von "Triebwerksgeräuschen, die wie Engelsgesang klingen" sollen, und anderen Elogen mehr.

Bei der ästhetischen Bewertung des neuen Giganten hält sich die Begeisterung allerdings in Grenzen: Im österreichischen Wissenschaftsmagazin Science wurde der A 380 als "fliegende, weiß lackierte Knackwurst" charakterisiert, die Sonntagszeitung der FAZ hält ihn für ein "zu kurz geratenes Dickschiff", das neben dem eleganten Überschallflugzeug Concorde aussehe "wie Obelix neben Brad Pitt". Den Machern dieses Giganten dürften derartige Bewertungen herzlich egal sein: Der A 380 soll im globalen Flugwettbewerb so viele Passagiere so preiswert wie möglich befördern. Und sie soll den bisherigen Marktführer, den US-Flugzeugbauer Boeing, endgültig aus der Pole Position verdrängen.

EU-Prestigeprojekt gegen mächtige US-Konkurrenz

Entsprechend viel Prominenz versammelte sich zur offiziellen Vorstellung des A 380 am 18. Januar in Toulouse, um diesem EU-Prestigeprojekt zu huldigen. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Frankreichs Präsident Jacques Chirac, Großbritanniens Premier Tony Blair und sein spanischer Amtskollege José Luis Rodríguez Zapatero gaben sich zusammen mit 5.000 weiteren geladenen Gäste und Journalisten ein Stelldichein.

Der mittlerweile zum EU-Industriekommissar mutierte EU-Erweiterungslobbyist Günter Verheugen feierte den A 380 bereits im Vorfeld als herausragendes europäisches Projekt.

"Europäisches Projekt" hin oder her: Paris läßt keine Gelegenheit aus, den Airbus-Konzern als französisches Unternehmen darzustellen. Airbus wurde 1970 als ein Konsortium von Aérospatiale (Frankreich) und MBB (Deutschland) als europäisches Luftfahrtunternehmen gegründet. Die spanische CASA trat dem Konsortium 1971 bei, die British Aerospace 1979. Ziel der Gründung war es, mit den US-Herstellern großer Passagierflugzeuge konkurrenzfähig zu werden.

Airbus wurde im Jahre 2000 in eine eigenständige Gesellschaft umgewandelt, die Airbus SAS (Société par Actions Simplifiée) mit Sitz in Paris. Diese Gesellschaft gehört zu 80 Prozent der EADS (European Aeronautic, Defence and Space Company) und zu 20 Prozent der BAE Systems (BAE: British Aerospace). Der Konzern ist durch die Rivalität zwischen Deutschen und Franzosen geprägt. So konnte man sich beispielsweise nicht darauf einigen, ob nun ein Deutscher oder ein Franzose beim Jungfernflug das Kommando im Cockpit des A 380 haben soll.

Deshalb darf jetzt ein Brite den ersten A 380 von der Rollbahn in Toulouse starten. Damit ist auch gesagt, daß dieser neue Gigant der Lüfte noch keine Sekunde geflogen ist. Die Nagelprobe, sprich: die normalen und extremen Situationen der Wirklichkeit und nicht der Computersimulationen muß der A 380 erst noch hinter sich bringen.

Mit 73 Metern Länge, einer Spannweite von zirka 80 Metern und einer Höhe von 24 Metern übertrifft der A 380 die Maße des bislang größten Passagierfliegers, des Jumbo-Jets Boeing 747-400, bei weitem. Der A 380, der mit zwei Passagierdecks und einer Frachtetage ausgestattet ist, stellt die Flughäfen allerdings vor völlig neue Anpassungsprobleme. Nach Angaben von Airbus-Chef Noel Forgeard, der Anfang Mai in die Spitze des Airbus-Mutterkonzerns EADS wechselt, soll der neue Großraumjet dessenungeachtet im Jahr 2008 rentabel sein. Airbus liege bei den bisherigen Verkäufen "gut über dem Plan". Im März soll der Prototyp zum Jungfernflug starten. 2006 wird Singapore Airlines den ersten A 380 in Dienst nehmen; ein Jahr später folgen dann die Air France und die Lufthansa.

"Hohe Nachfrage nach Flugzeugen mittlerer Größe"

Der Zusammenbau des A 380 muß als logistische Meisterleistung bewertet werden, an der in ganz Europa 16 Werke beteiligt sind. Die Tragflächen beispeilsweise werden im englischen Broughton produziert, der hintere Rumpf stammt aus Hamburg-Finkenwerder, das Cockpit aus dem französischen Saint Nazaire. Alle Komponenten werden per Schiff, Flugzeug und Lkw nach Toulouse gebracht, wo sie in Europas größtem Industriebau zum A 380 endmontiert werden.

Nach den Rohbau-Arbeiten in Toulouse fliegt der Doppeldecker zum Feinschliff nach Hamburg. Im dortigen Airbus-Werk wird die komplette Innenausstattung montiert und die Lackierung vorgenommen. Hamburg ist neben Toulouse als Auslieferungsstandort für den A 380 vorgesehen. Das entsprechende Auslieferungszentrum will Airbus in der Hansestadt aber erst bauen, wenn die dafür notwendige Startbahnverlängerung tatsächlich realisiert werden kann. Das schien lange Zeit ungewiß, weil es erst im Dezember 2004 gelang, die hierfür nötigen Schlüsselgrundstücke zu erwerben.

Der Erfolg des A 380 wird auch davon abhängen, ob das prognostizierte hohe Wachstum des Luftverkehrs, das sich die Verantwortlichen erhoffen, zu realisieren sein wird. Insbesondere müßte die Zahl der transkontinentalen Flüge überproportional ansteigen, sollen die Vorgaben erreicht werden. Das hieße, daß der Airbus den Marktanteil von Boeing in diesem Segment deutlich drücken müßte.

Die US-Konkurrenz in Seattle gibt sich dessenungeachtet bisher betont gelassen. Boeing-Vorstandschef Harry C. Stonecipher hält den Bau des Großflugzeugs A 380 sogar für einen Fehler. "Ich liebe es, wenn unsere Konkurrenten Fehler machen", sagte Stonecipher jüngst. Er glaubt nicht, daß der Markt ausreicht, um die gigantischen Entwicklungskosten von zwölf Milliarden US-Dollar zu rechtfertigen.

Stonecipher glaubt an eine hohe Nachfrage nach Flugzeugen mittlerer Größe, die trotzdem Langstrecke fliegen können - und zwar direkt von A nach B, ohne den Umweg über einen Großflughafen und vor allem mit niedrigen Betriebskosten.

Das ist auch die Meinung von Horst Teltschik, dem ehemaligen Kanzlerberater von Helmut Kohl, heute Präsident von Boeing Deutschland: "Boeing geht davon aus, daß die Passagiere nicht umsteigen wollen, weil das immer mit der Sorge verbunden ist, daß man
den Anschluß nicht schafft, daß das Gepäck nicht mitkommt. Sie setzen auf Flugzeuge point-to-point ... und dafür braucht man kleinere Maschinen, die zwar schneller sind, die effizienter sind, die kostengünstiger sind, und das ist der Streamliner, die Seventyseven, die Boeing 2007 auf den Markt bringen will."

Nachzutragen bleibt, daß der Subventionsstreit um den neuen A 380 zwischen Europa und den USA keineswegs ausgestanden ist (JF 43/04). In den nächsten drei Monaten will man aber zunächst wieder verhandeln.


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