© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

Kolumne
Niedergang
Klaus Hornung

Reform" heißt die Marketing-Formel auch für die deutschen Universitäten. Hinter dieser Fassade vollzieht sich indes auch hier nichts anderes als Niedergang und Zerstörung.

Seit 1968 sind unsere Hohen Schulen nicht mehr zur Ruhe gekommen. Ihre "Demokratisierung" schickte die Ordinarien-Universitäten in den Orkus, doch mit der "demokratischen" Gruppen- und Mitbestimmungsuniversität begann der Niedergang. Auf die Jahre des offenen Terrors folgte der stille Terror gegen die Tüchtigen, Eigenständigen, Schöpferischen, Unangepaßten in der hypertrophen Gremien-Universität. Als die Studentenbewegung verebbte, gab es zwei Gewinner und zugleich Ruinierer: Zum einen Tausende vor allem linker "Discount-Professoren" und zum anderen die ministeriellen Bürokratien, die ihre Wut - der Regelung die einen und der alleinseligmachenden Ideologie die anderen - an der Welt des Geistes und der Forschung ausließen. Heute heißen die neuen Götter nun Markt, Konkurrenz, Leistungsmessung, "Evaluation" und so fort. Und zugleich hat sich bei uns ein scheinbar weltläufiger Internationalismus von Kleinbürgern, gepaart mit nationaler Selbstverachtung, ausgebreitet, der meint, den deutschen Universitäten wieder zur "Weltspitze" verhelfen zu können, indem er die Terminologie akademischer Titel und Prüfungsbeschlüsse der angelsächsischen Tradition und Sprache anpaßt. Auch so kommen die deutschen Universitäten, die vor hundert Jahren in der Tat "Weltspitze" waren, immer weiter auf den Hund.

Soeben hat Heike Schmoll in einem glänzenden Leitartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem Titel "Professor Knecht" beklagt, daß unter allem diesem sogenannten "Fortschritt" besonders die Professoren zu jenen "beklagenswerten Menschen" (wie sie Friedrich Schiller in seiner Jenaer Antrittsrede 1789 nannte) zu werden drohen, die als "Tagelöhner" der Wissenschaft und Kunst "eine Sklavenseele mit sich herumtragen", und an die "Stelle der Wahrheit treten dann Geld, Zeitungslob, Fürstengunst" (so Schiller ebenda).

Es ist in der Tat hoch an der Zeit, in Erinnerung an ihn im Jahr 2005 Schillers Freiheits-Aufruf gegen Political Correctness und "Reform"-Marketing laut erschallen zu lassen. Auch an Hans Christian Andersens Märchen von "des Kaisers neuen Kleider" wäre zu denken, um die Augen zu öffnen und zu erkennen, wie nackt "der Kaiser" - die Universität - geworden ist.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim..


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