© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Disziplinierung
Karl Heinzen

In Berlin und Niedersachsen ist das Rauchen an Schulen per Erlaß, in Hessen seit Jahresbeginn sogar gesetzlich untersagt. Hamburg möchte dem Wiesbadener Vorbild zum 1. August 2005 folgen. Entsprechende Signale gibt es auch aus Bayern und Nordrhein-Westfalen. Niemand wird seine Hand dafür ins Feuer legen wollen, daß jene Bundesländer, die sich diesem restriktiven Kurs bislang verweigern, tatsächlich standhaft bleiben werden.

Schließlich geht es nicht allein um die Gesundheit von Schülern und Lehrern. Wollte man vor allem diese schützen, hätte der Staat eigentlich schon vor langen Jahrzehnten, als die Risiken des Tabakkonsums wissenschaftlich unstrittig erwiesen wurden, tätig werden kön­nen - und müssen. Daß er ausgerechnet jetzt interveniert und den Übeltäterinnen und Übeltätern drakonische Strafen vom Schulverweis bis zum Disziplinarverfahren androht, erklärt sich vielmehr aus seinem Bestreben, in Erwartung sich zuspitzender Krisen Zucht und Ordnung durchzusetzen.

Dabei nimmt er zum einen seine eigenen Diener, denen er überdies mit der Aufhebung des Beamtenstatus droht, und zum anderen die jüngere Generation ins Visier. Letztere steht vor der historisch einmaligen Titanenaufgabe, durch Fleiß und Kreativität den Wohlstand einer dynamisch wachsenden Zahl von Alten jenseits des Erwerbslebens zu sichern. Diese Aufgabe werden die Jungen von heute nur aber schultern können, wenn sie frühzeitig daran gewöhnt werden, ihre Zeit nicht durch Aufbegehren und Allüren der Selbstverwirklichung abseits des Berufslebens zu verplempern, und die auf Kopfzahl und Eigentum gestützte gesellschaftliche Macht der Senioren akzeptieren.

Bislang sieht es jedoch leider nicht danach aus, daß die jungen Menschen dieser Mission gewachsen sein könnten. Ihr Bildungsniveau, ihr Arbeitsethos und ihr Ehrgeiz, sich in einer rauher und unberechenbarer werdenden Arbeitswelt durchzusetzen, lassen zu wünschen übrig. Wichtiger als das bravouröse Bestehen vor irgendwelchen Pisa-Tribunalen muß dabei das Einfordern von Sekundärtugenden sein, die als Voraussetzung für das gesellschaftliche Funktionieren des jungen Individuums schlechthin anzusehen und insbesondere auch Immigranten leichter als ein abstrakter Bildungskanon zu vermitteln sind.

Allerdings können solche Strategien nur fruchten, wenn sie nicht die Chance bieten, vor der Disziplinierung auszuweichen. Das Rauchverbot in Schulen ist unter diesem Gesichtspunkt unzureichend, da es in seiner derzeitigen Konstruktion sogar Anreize setzt, sich durch das Verlassen des Geländes der Bildungseinrichtung in Pausen und Freistunden staatlichen Vorgaben zu entziehen.

Darüber hinaus regelt es nicht die sogenannte Freizeit der von ihm Betroffenen. Konsequent wäre es daher, das Rauchverbot auch auf diese auszudehnen und seine Durchsetzung notfalls durch ein in seinen Statuten an Justizvollzugsanstalten orientiertes Zwangsinternat sicherzustellen.


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