© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/05 14. Januar 2005

Ein Preis unter Verdacht
Linkes Netzwerk: Der vielfach gelobte "Big Brother Award" ist ein geschickt getarntes Propagandainstrument
Christian Sieker

Der Berliner Verfassungsschutz schäumte vor Wut. Im Jahresbericht 2001 hielt er Linksextremisten vor, sie würden Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) diffamieren. Schily war in einer linken Publikation als Empfänger eines ominösen "Big Brother Awards" für Schnüffelei bezeichnet worden. Was der VS nicht wußte: Diesen "Preis" gab es tatsächlich, und Schily gehörte zu den "Ausgezeichneten". Mit der Einstufung der Auszeichnung als linksextremistische Diffamierungskampagne lag der VS Berlin trotzdem richtig, wie die Recherche der JUNGEN FREIHEIT ergab.

Im Herbst 2004 wurde der Big Brother Award (BBA) in Deutschland zum fünften Mal vergeben. Es handelt sich dabei um einen Anti-Preis, der die Ausgezeichneten der öffentlichen Kritik wegen angeblicher Verstöße gegen den Datenschutz aussetzen soll. Die Preisverleihung in Bielefeld findet regelmäßig ein landesweites Echo in den etablierten Medien. Journalisten äußern sich fast immer anerkennend über die ungewöhnliche "Auszeichnung".

Die hinter der Preisverleihung stehenden Organisationen werden als "Datenschützer" und "Menschenrechtler" vorgestellt. Der Preis wird als ein Beitrag für eine bessere Gesellschaft gewürdigt. Genauer betrachtet fällt jedoch der linksextremistische Hintergrund der Veranstaltung auf.

Jury orientiert sich an Kampagnenthemen

Neben verschiedenen Firmen werden durch den Award jedes Jahr staatliche Stellen und Politiker angegriffen. Die Auswahl orientiert sich an linken Kampagnenthemen, etwa der angeblichen Gewalt des deutschen Staates gegen Ausländer.

Im Jahr 2000 richtete sich die Preisverleihung gegen das Ausländerzentralregister. Diesem wurde zum Vorwurf gemacht, es biete die Datengrundlage, um "für die Betroffenen nachteilige Behördenentscheidungen zu treffen". Außerdem konstruierte man eine Verbindung des Ausländerzentralregisters zum Nationalsozialismus. Die BBA-Jury empörte sich, mit Hilfe des Registers könne man Ausländer "im Zweifel außer Landes schaffen".

Ende 2001 - mittlerweile waren bei den Anschläge vom 11. September unter maßgeblicher Beteiligung von Ausländern, die lange Zeit in Deutschland gelebt hatten, mehrere tausend Menschen getötet worden - setzte die BBA- Jury noch einmal nach. Nicht die mangelnde Überwachung der Terroristen thematisierte sie. Vielmehr polemisierte sie gegen das Terrorismusbekämpfungsgesetz, das Innenminister Schily durchsetzen wollte. Auch in den Folgejahren ging es so weiter. Im Jahr 2002 war das Bundeskriminalamt an der Reihe, 2003 die Innenminister von gleich vier Bundesländern, 2004 die Bundesjustizministerin und die Bundesgesundheitsministerin.

Die Polemik der BBA-Organisatoren wird auf keine Weise durch ihre eigentlich vorhandene Sachkenntnis beeinträchtigt. So äußerten die Juroren 2004 bei der Preisverleihung an die Universität Paderborn, Überwachung sei prinzipiell ein ungeeignetes Mittel, Taten wie beispielsweise Diebstahl oder Vandalismus zu verhindern. Schutz gegen Diebstahl könne nur darin bestehen, die Einrichtungsgegenstände anzuketten. Die Binsenweisheit, daß die Gefahr der Entdeckung bei einer Tat eine abschreckende Wirkung hat, wird geleugnet. Die BBA-Veranstalter leugnen offensichtliche Zusammenhänge nicht aufgrund mangelnder Sachkenntnis. Sie verdrehen absichtlich Tatsachen. Diesen Schluß legt ihr Werdegang und politischer Hintergrund nahe.

Der Hauptorganisator der Preisverleihung tritt auf der Veranstaltung unter dem Pseudonym "Padeluun" auf. Eine kurze Internetrecherche ergibt, daß dieser Mann so etwas wie die bunte Eminenz der linken Computerszene ist. Tausende Beiträge handeln von seinen Aktionen. Seltsamerweise fragt ihn keiner der Journalisten, die über ihn berichten, nach seinem wahren Namen. Rainer Schäffner, so der Klarname der Person, die sich hinter dem Decknamen Padeluun verbirgt, hat rund 30 Jahre in der linksextremen Szene hinter sich. In dieser Zeit hat er ein fast unüberschaubares personelles Netzwerk aufgebaut. Nach seinen Versuchen als Punkmusiker und einem Gastspiel in der Hausbesetzerszene zog es ihn zu den neuen Medien. Im Anschluß an ein Studium an der Gesamthochschule Kassel entwickelte er eine Vorliebe für Computer, die ihn zum Geschäftsführer der kleinen Bielefelder Firma Zerberus machte.

Die Firma Zerberus entwickelte Mailbox-Software, mit der vor dem Aufkommen des Internets Mitte der Neunziger ein gutes Geschäft zu machen war. Die Zerberus-Software bot mit ihrer Verschlüsselungsfunktion auch Linksextremen neue Möglichkeiten zur Kommunikation. Die Firma Zerberus war sich sehr wohl bewußt, wer diese Computernetze benutzte.

Das damit aufgebaute "Computernetzwerk Linksysteme" (CL-Netz) war ein Tummelplatz für Linksextremisten jeglicher Couleur. In Bielefeld betrieb Schäffner zudem eine eigene einflußreiche Mailbox mit der Bezeichnung Bionic, die Linksextremisten Platz bot. Als Geschäftsführer von Zerberus saß er ohnehin an der zentralen Schaltstelle für alle Vernetzungsaktivitäten.

Nebenbei betrieb er ebenfalls in Bielefeld den "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", kurz Foebud. Seit der Auflösung der Firma Zerberus um das Jahr 2000 steht Schäffner alias Padeluun mit Foebud eine Ausweichplattform zur Verfügung. Dieser Verein organisiert neben dem Big Brother Award bis heute Vortragsveranstaltung unter dem Titel "Public Domain". Über diese Veranstaltungen versucht der Verein junge technik-interessierte Menschen anzusprechen.

Die Kern-Mannschaft von Foebud ist eng mit dem gewalttätigen linken Spektrum in Bielefeld verwoben. Der ehemalige Sprecher von Foebud, Jens Ohlig, äußerte sich im Jahr 2000 über die Antifa-West (Bielefeld), die regelmäßig Aufmärsche und Übergriffe organisiert, in einem Internetforum folgendermaßen: "Wow, meine Vergangenheit holt mich ein (...) Annelie Buntenbach, die erwähnt wird, ist die Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bielefeld und seit Jahren Mitglied der Antifa-West. Annelie ist übrigens eine der integersten Politikerinnen, die ich kenne und mit daran schuld, daß ich seinerzeit in die Grünen eingetreten bin."

In der Diskussion ging es um einen ehemaligen Agenten des MAD, der in Bielefeld eine rechtsradikale Gruppierung ausspioniert hatte und dann mit Annelie Buntenbach kooperierte, weil er sich von seiner Behörde nicht ausreichend unterstützt fühlte. Mittlerweile wurde der entsprechende Diskussionsbeitrag aus dem Netz gelöscht.

Pikant im Zusammenhang mit Ohligs Engagement für "Datenschutz" und "Bürgerrechte" ist weiterhin, daß die von ihm gelobte Antifa-West Register über politisch mißliebige Personen führt und aus diesen diffamierende Veröffentlichungen zusammenstellt. Zum Zwecke der Einschüchterung gehen die Aktivisten der Antifa noch weiter und fotografieren Familienangehörige von "Rechten" durch die Fensterscheiben in ihren eigenen Häusern.

Mittlerweile ist Ohlig vom Foebud zum bekannten Chaos Computer Club (CCC) gewechselt und arbeitet dort wiederum als Pressesprecher. Als Vertreter des CCC nahm er an der Verleihung des Big Brother Award des Jahres 2001 teil. Die scheinbare Vielzahl unterstützender Organisationen bei der Verleihung des BBA relativiert sich so teilweise. Neben dem Verein Foebud, dem Chaos Computer Club und weiteren Computervereinen wie dem "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" ist auch die Humanistische Union e.V. am Big Brother Award beteiligt.

Internetzeitung bietet Linksextremisten ein Forum

Die Frage nach der Verflechtung muß auch gestellt werden, wenn man prüft, wie der Big Brother Award in den Massenmedien populär wurde. Eine wichtige Rolle bei der Popularisierung des Big Brother Awards und der dahinterstehenden Organisationen spielt das Online-Magazin Telepolis aus dem Heise-Verlag (Computer Zeitschriften c't und iX). Die der Telepolis angegliederte Internetseite www.heise.de  ist eines der besucherstärksten Angebote des deutschsprachigen Internets.

Außerdem dient sie vielen Journalisten als Informationsquelle, die häufig unkritisch zitiert wird. Ein solches Leitmedium eignet sich besonders gut, um Propaganda zu verbreiten. Entsprechend hoch sollten die Anforderungen an die Unabhängigkeit der dort schreibenden Journalisten sein.

Diesen Anforderungen wird das Magazin nicht gerecht. Ganz im Gegenteil. Viele Telepolis-Journalisten entpuppen sich als politische Weggefährten jener Leute, über die sie Artikel verfassen. Teilweise bewerben Telepolis- Autoren sogar eigene Veranstaltungen. Aufgezeigt sei dies am Beispiel Schäffners alias Padeluun und seines Vereins Foebud. Telepolis-Autoren, die Foebud mit unkritischen Artikeln bedenken, sind unter anderem Ekkehard Jähnicke und Peter Lokk. Der PDS-Funktionär Jähnicke hat mit Schäffner alias Padeluun schon 1997 bei der Einrichtung eines PDS-Informationssystems zusammengearbeitet. Noch enger ist die Verbindung zwischen Lokk und Schäffner. So äußert Schäffner in einer Selbstdarstellung, er würde Lokk für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen, weil dieser das CL-Netz am Laufen halte.

Ein besonderer Fall unter den Autoren, die im Zusammenhang mit Artikeln über Foebud auffällig geworden sind, ist Christoph Bieber. Der promovierte Medienwissenschaftler ist Gründungsvorsitzender des Vereins Politik-Digital (poldi. net e.V) und Betreiber der Internetseite www. politik-digital.de. Dieses Angebot bietet grundlegende politische Informationen und wird unter anderem von der Tagesschau unterstützt. Eigentlich macht Bieber einen seriösen Eindruck. Bei Telepolis plazierte er jedoch am 2. August 2002 einen Artikel über die Vergabe eines Medienpreises, des "poldi-Awards" für "Bürgerengagement im Netz". Mit keinem Wort erwähnt er in dem Artikel, daß er selbst der Organisator des Preises ist. Der Preis ging dann an - die linksextremistische Internetplattform Indymedia, die regelmäßig durch Gewaltverherrlichung auffällt.

Die Parallele zum Big Brother Award liegt auf der Hand. Die Preisverleihung an Indymedia sorgte für einen bundesweiten Eklat, da daran auch ein Vertreter des Bundesinnenministeriums beteiligt war (JF 38/02). Die Bundesregierung stritt jedoch die Verantwortung für die Auswahl des Preisträgers ab. Womit sich die Frage stellt, was Bieber als Initiator des Preises zu verantworten hat. Dem poldi-Award auf jeden Fall ist die mißlungene Premiere 2002 nicht gut bekommen, das Projekt ist im Netz nicht mehr zu erreichen.

Das Telepolis-Magazin und mehr noch der Heise Verlag sind nicht als Ganzes linksextrem. Allerdings fallen selbst Autoren, die überwiegend technische Artikel schreiben, dadurch auf, daß sie bei Gelegenheit Organisationen des gewalttätigen linksextremen Spektrums verharmlosen. So bezeichnet der Stammautor Wolf Dieter Roth in einem Artikel vom 8. Oktober 2004 Indymedia als die "allgemein durchaus anerkannte und nicht extrem radikale Plattform Indymedia". Auch Roth ist durch Artikel über Foebud hervorgetreten. Mit Burkhard Schröder ist auch noch ein Mann ständiger Mitarbeiter bei Telepolis, dessen Journalismus von Experten als "Anprangerungs-Antifaschismus" bezeichnet wird.

Es gibt unter den Mitarbeitern des Heise-Verlags aber auch schon Stimmen, die sich vom Big Brother Award distanzieren. In der Dezember-Ausgabe der Heise-Zeitschrift iX setzt sich im Vorwort der Herausgeber, der Journalist Detlef Borchers, kritisch mit dem Thema auseinander. Er hält den Veranstaltern der Auszeichnung vor, sie würden mit ihrer Kritik die Falschen treffen und fragwürdige Methoden anwenden.

Foto: Die Jury vor der Preisverleihung 2002: Zweifelhafte Auszeichnungen für Schily und Co.


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